1987 verbrachten wir einen dreiwöchigen Familienurlaub auf den Seychellen. Von unserer Unterkunft an der weiten Bucht Grand Anse an der Westküste der Hauptinsel Mahé aus erkundeten wir die Gegend mit einem Mini-Moke, der offenen Version des Austin Mini, dem damals dort beliebtesten Leihwagen. Antoine, ein Seychellois, den wir über....
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Seychellen 1987 verbrachten wir einen dreiwöchigen Familienurlaub auf den Seychellen. Von unserer Unterkunft an der weiten Bucht Grand Anse an der Westküste der Hauptinsel Mahé aus erkundeten wir die Gegend mit einem Mini-Moke, der offenen Version des Austin Mini, dem damals dort beliebtesten Leihwagen. Antoine, ein Seychellois, den wir über Freunde kennengelernt hatten, brachte uns mit seinem Boot auf die vorgelagerte unbewohnte Insel Thérèse. Dort konnten wir uns nach dem Baden und Schnorcheln von der Sonne trocknen lassen, während Antoine die unterwegs geangelten Fische grillte und mit dem Saft von Limetten beträufelte, die er aus dem Busch holte. Dazu gab es frische Kokosnüsse, die er von einer der umstehenden Palmen erntete. Besondere Attraktion war eine Riesenschildkröte, die aus dem Palmenwald auftauchte und die nichts dagegen hatte, unserer sechsjährigen Tochter Anja als Reittier zu dienen. Unser achtjähriger Sohn Daniel war stolz, die herrliche Unterwasserwelt nicht nur beim Schnorcheln zu erleben. Er durfte tauchen lernen, natürlich mit aller Vorsicht, in mäßiger Tiefe und an der Hand eines freundlichen und kompetenten Tauchlehrers oder in direktem Kontakt mit mir. Einen Open-WaterDiver- Schein durfte er dann altersbedingt erst sechs Jahre später am Bodensee erwerben. Wenn wir nach einem solchen Tag und dem abendlichen kreolischen Büffet im Hotel noch nicht zu müde waren, konnten wir noch die einheimische Musik und den hiesigen Tanz, Sega genannt, kennenlernen. Die kreolische Landessprache der damals 60 000, inzwischen 100 000 Einwohner, Seselwa (z.B. Nasyon = Nation, Lenstriksyon = Instruktion, Einweisung, Veikil = frz. Vehicule, Fahrzeug), haben wir übrigens nicht gelernt, da weitere offizielle Sprachen hier Englisch und Französisch sind. Schon von Deutschland aus hatte ich mich nach Möglichkeiten erkundigt, auf den Seychellen die dritte Dimension nicht nur unter Wasser zu erleben. Es sollte einen Fliegerclub geben, der eine Cessna 172 Skyhawk besaß. Nach unserer Ankunft erfuhr ich, der Fliegerclub sei aufgelöst, Einzelheiten könne ich von einem Jack Butler erfahren, mit dem ich mich dann telefonisch in unserem Hotel verabredete. Er erwies sich als selbstbewusster, smarter Mittdreißiger, der unübersehbar vom weiblichen Hotelpersonal angehimmelt wurde. Er schlug vor, unter Piloten sollten wir uns mit Vornamen anreden. Später erfuhr ich, dass es sich bei Major Jack Butler um den Chef der Luftstreitkräfte der Seychellen handelte. Die Seychelles People’s Airforce ist zusammen mit der Coast Guard für das Aufspüren illegaler Fischer und somalischer Piraten zuständig. Damals betrieb sie zwei Hubschrauber (Alouette III). Inzwischen ist sie mit TurbopropTwins (Dornier 228, Harbin Y-12 aus China und DHC 6 Twin Otter) besser ausgestattet. Die Cessna fiel nicht in seinen Zuständigkeitsbereich, sondern war inzwischen von der Air Seychelles übernommen worden. Der Airbus A300 B4 mit den Farben der Seychellen am Leitwerk, der uns von Frankfurt über Djidda nach Mahé gebracht hatte, war von der Air France geleast, hatte ein französisches Kennzeichen und wurde von französischen Piloten geflogen. Aber für den Luftverkehr zwischen den einzelnen Inseln war die Air Seychelles mit einheimischen Piloten zuständig. Deren Luftflotte bestand damals aus drei DHC-6-300 Twin Otter für 19 Passagiere und zwei BrittenNorman BN2-Islander mit 10 Plätzen. Und vor kurzem war die C 172 des ehemaligen Fliegerclubs dazugekommen. Jack versprach mir, mein Anliegen dem Chefpiloten der Air Seychelles vorzutragen, der auch die einheimischen Piloten ausbildete. Ich suchte Captain Gilbert Bouchereau in seinem Büro im Domestic Terminal des Mahé International Airport auf. Eine so ungewöhnliche Bitte wie meine, eines seiner Flugzeuge nicht nur zu chartern, sondern es auch selbst fliegen zu wollen, war ihm zwar noch nicht vorgekommen. Aber falls meine fliegerischen Fähigkeiten seinen Ansprüchen genügten, sei das kein Problem. Also gingen wir über das Vorfeld zur neuen Errungenschaft der Air Seychelles, der Cessna, deren Kennung S7-AAB zeigte, dass es sich um die zweite auf den Seychellen zugelassene Maschine handelte. Die Startbahn 13 / 31 des Mahé International Airports ist 2997 Meter lang und liegt wie ein Flugzeugträger, nur tiefer, im Meer. Wir starteten auf der 13 zu einem Checkflug. Nach der üblichen Airwork und ein paar Landungen interessierte Captain Bouchereau vor allem, ob ich in der Lage war, in der dunstigen Luft über dem Meer und ohne Orientierungspunkte und Auffanglinien Kurs und Höhe einzuhalten. Den Luxus eines Autopiloten besaß die Cessna nicht, und GPS war damals noch Zukunftsmusik. Aber am Flugplatz auf Mahé gab es ein VOR, und ein zweites stand auf der Nachbarinsel Praslin. Außerdem konnten die Airliner den Flugplatz über ein NDB nahe der Hauptstadt Victoria anfliegen. Einkalkulieren musste man neben der Ortsmissweisung von 5 Grad West den recht konstant blasenden Wind, der auf den knapp 5 Grad südlich des Äquators gelegenen Seychellen im Sommer aus Südost, im Winter aus Nordwest kommt. Nur in den Übergangsmonaten, wenn die Sonne im Zenith steht, klingt der Passat ab. Verblüffen konnte ich Captain Bouchereau mit meiner Karte (TPC M-7D) im Maßstab 1:500 000, die außer sehr viel Wasser in der oberen linken Ecke auch ein paar braune Flecken mitten im Blau zeigte, die bei genauerem Hinsehen unserem Urlaubsland entsprachen. Dieser Komfort stand seinen Piloten nicht zur Verfügung. Ihnen musste die Information über Kurs und Entfernung vom Flughafen Mahé aus zu den vier Landeplätzen auf den umliegenden Inseln reichen: nach Praslin 030 Grad 24 NM, nach Frigate 085 Grad 26 NM, nach Denis Island 015 Grad 52 NM und nach Bird Island 345 Grad 60 NM. Mein Instructor machte mich noch mit den VFR-Meldepunkten beim Anflug auf Mahé vertraut: Mamelles, eine wegen ihres Brustwarzen-ähnlichen Aussehens so genannte Doppelinsel, und Beacon, ein Leuchtturm bei der kleinen Insel Sainte Anne. Dann ging es zurück zum Flughafen. Im Gegenanflug fiel plötzlich die Drehzahl des Motors ab: Captain Bouchereau hatte den Gashebel auf „idle“ zurückgezogen. Als ich nicht in Panik geriet, sondern die Cessna nach Abarbeitung der Checkpunkte für „Motorausfall“ problemlos ohne Motorleistung landete, war er zufrieden, und der Flieger stand mir zur Verfügung. Unser erster Familienausflug auf den Seychellen führte uns einmal im Uhrzeigersinn um die Hauptinsel Mahé. An der Anse Royale vorbei erreichten wir die Südspitze der Insel mit der Police Bay, wo wir auf Nordwestkurs gingen. Rechts unter uns zogen die herrlichen Strände der Anse Takamaka, der Baie Lazare und der Anse à la Mouche vorbei. Wir erreichten die schöne Bucht Grand‘ Anse mit unserer Unterkunft. Die kleine Insel gegenüber erinnerte mit ihrem Namen Ile aux Vaches an die früher in großer Zahl hier lebenden Seekühe oder Dugongs, die auf den Seychellen leider schon lange ausgestorben sind, da ihr Fleisch den vorbeikommenden Seeleuten zu gut schmeckte. Links voraus lag „unsere“ Thérèse Island mit dem Traumstrand zwischen Granitfelsen und dem kleinen Riff, die wir einmal umrundeten. Die Riesenschildkröte war aus der Luft allerdings nicht auszumachen. Dafür sah man aber gut gegenüber von Thérèse die kurvenreiche Pass-Straße, die quer über die Insel vom kleinen Ort Port Glaud aus am Morne Seychellois vorbei, dem mit 905 Metern höchsten Berg von Mahé, nach Victoria führte. Auf dem bei Ebbe zu Fuß erreichbaren kleinen Inselchen Islette mit dem schön gelegenen Sundown Restaurant hatten wir schon sehr angenehme Stunden verbracht. Wir flogen am Nationalpark beim Cap Ternay vorbei und über die Bucht von Beau Vallon mit ihrem beliebten Strand und Hotel zur Nordspitze von Mahé, wo wir auf Südkurs drehten. Der Küste auf der Nordostseite waren Korallenriffe und die Inseln Sainte Anne und Ile aux Cerfs vorgelagert, die zum Sainte Anne Marine National Park gehörten. Gegenüber davon lag rechts unter uns die Inselhauptstadt Victoria mit ihrem kleinen Hafen. Und bald darauf hatten wir schon wieder den Flughafen erreicht. Ein weiterer Ausflug führte uns zur etwa 45 Kilometer nordöstlich gelegenen Nachbarinsel Praslin. Auch hier gibt es eine betonierte Landebahn (15 / 33), die inzwischen auf 1405 Meter Länge ausgebaut wurde. Da man zwischen den Inseln nur etwa zwanzig Minuten über Wasser zurückzulegen hat, ist die Orientierung kein Problem. Eine besondere Attraktion auf Praslin ist der Vallée de Mai – Nationalpark. In diesem naturbelassenen Urwald findet man die sagenumwobene Coco de Mer-Palme. Sie wird bis 40 Meter hoch, die männliche Form 5 Meter höher als die weibliche. Diese trägt bis zu 20 Kg schwere Früchte. Damit sind die Meereskokosnüsse die größten Pflanzensamen der Erde. Auf einem Nature Trail hatten wir die Gelegenheit, diese faszinierenden Pflanzen in allen Entwicklungsstadien kennenzulernen. Auf einen Flug nach Bird Island, der 60 nautische Meilen nordnordwestlich von Mahé gelegenen, knapp ein Quadratkilometer großen flachen Koralleninsel begleitete mich nur unser Sohn Daniel. Captain Bouchereau meldete uns bei Guy Savy an, dem Besitzer der Insel, der sie zu einem Musterbeispiel für Ökotourismus gemacht hatte. Auf diesem Flug war es nötig, den Kurs exakt einzuhalten, denn das nächste Land in Richtung Nordwesten ist die somalische Küste, etwa so weit entfernt wie Schwenningen von Nordtunesien, und Richtung Nordosten liegt Ceylon etwa so weit weg wie Stuttgart vom Nordkap. Anfangs half noch das VOR bei der Navigation, für dessen Empfang die Entfernung dann zu groß wurde. Etwas öfter als sonst schaute ich auf die Motorüberwachungs-Instrumente, etwas aufmerksamer als sonst horchte ich auf das beruhigend gleichmäßige Brummen des Motors. Schließlich tauchte die kleine Insel vor uns aus dem Dunst auf. Wir lagen exakt auf Kurs. Ich rief auf der Frequenz 119,7 Mahé Tower, meldete „Airfield in sight“ und gab meine für den Rückflug vorgesehene Startzeit durch, da nach der Landung Mahé TWR nicht mehr per Funk erreichbar war. Wir umkreisten die Insel einmal. Eine Schneise durch die Vegetation stellte die 920 Meter lange Grasbahn 06 / 24 dar. Bei kräftigem Südostwind, also Seitenwind von links, war zunächst im Anflug auf die 24 ein deutlicher Vorhaltewinkel erforderlich. Aber unter Baumwipfelhöhe herrschte Windstille, so dass die Landung unproblematisch war. Wir stellten die Cessna auf einem kleinen Vorfeld bei zwei palmwedelgedeckten offenen Hütten ab. Schilder davor kennzeichneten sie als „Bird Island Gate 1“ und „Bird Island Gate 2“. Wichtigstes Ausstattungsdetail war eine Waage, denn die Zuladung der zweimotorigen Inselhüpfer war nicht zu großzügig bemessen. Während wir ausstiegen, sahen wir den Traktor mit Feuerlöschanhänger von der Landebahn zurückkehren, an deren Rand er bei jedem Start und jeder Landung für den Notfall bereitstand. Als einige Zeit nach uns eine Twin Otter der Air Seychelles planmäßig mit neuen Urlaubsgästen landete und die Insel nach einer halben Stunde wieder mit den abreisenden Passagieren verließ, konnten wir den pflichtgemäßen vorsorglichen Einsatz der Flugplatzfeuerwehr erneut beobachten. Eine kleine Ferienanlage mit 24 Hütten, einem Restaurant und einem Laden, die Bird Island Lodge, bot den Gästen allen nötigen Komfort. Auf Fernseher und Klimaanlage mussten sie allerdings verzichten. Wir machten die Bekanntschaft von Esmeralda, der über 200 Jahre alten, mit 300 kg und 180 cm Panzerlänge größten bekannten Landschildkröte der Welt. Dann spazierten wir zur Hauptattraktion von Bird Island, dem Gebiet, wo im Sommer neben vielen anderen Vögeln eine Million Rußseeschwalben nisten und brüten. Nachdem wir uns dies ausgiebig angeschaut hatten, umrundeten wir die kleine Insel, auf der es für die wenigen dort lebenden Seychellois als Arbeitsmöglichkeit nur etwas Gemüseanbau und Fischfang sowie eine kleine Bootswerft gab. Wir genossen den feinsandigen Strand und das 27 Grad warme Wasser, dann stärkten wir uns mit einem leckeren Mittagessen. Schließlich war die Zeit zum Aufbruch gekommen. Für den Rückflug wählten wir nicht die direkte Route. Wir flogen auf Aride Island zu, eine Insel halb so groß wie Bird Island, 6 NM nördlich von Praslin gelegen, wo immer mal wieder nach Piratenschätzen gesucht wurde. Christopher Cadbury, der englische Schokoladenfabrikant, kaufte die Insel und wandelte sie zum Naturpark um, um diesen Naturschatz mit zahlreichen endemischen Tieren und Pflanzen zu bewahren. An Aride vorbei steuerten wir die Ostküste von Praslin an. Links von uns lag Curieuse Island, nur 2 Kilometer von Praslin entfernt, wo sich früher eine Leprastation befand. Schließlich umrundeten wir noch die südöstlich von Praslin gelegene Insel La Digue mit ihren Traumstränden zwischen Palmen und Granitfelsen, damals ein verträumter Ort für Menschen, denen Mahé und Praslin viel zu quirlig und betriebsam war. Endlich war es Zeit für die Rückkehr nach Mahé, wo meine Frau und unsere Tochter auf uns warteten. Pflichtgemäß gaben wir unsere VFR-Positionsmeldungen „abeam mamelles“ und „Beacon“ durch, bevor wir uns auf den Anflug auf die für unsere Cessna durchaus ausreichend dimensionierte Bahn 13 von Mahé International konzentrierten. Mein Logbuch weist 4 Stunden und 51 Minuten in der Luft über den Seychellen auf. Da die Vercharterung seiner Cessna für Captain Bouchereau Neuland war, erkundigte er sich, was eine Flugstunde anderswo kostete. Ich nannte ihm die deutschen Durchschnittspreise und die erheblich günstigeren Tarife in den USA. Wir einigten uns auf einen Betrag dazwischen. Zwei Jahre später wollte ich die Skyhawk noch einmal chartern. Zu meinem Kummer musste ich erfahren, dass sie für einen Sightseeing-Flug einem Belgier anvertraut worden war. Dieser hatte die Landung auf Bird Island verpeilt und die arme S7-AAB am Ende der Landebahn im Meer versenkt. Zwar war mir das Gleiche auch schon einmal passiert, bei der Landung einer Boeing 747-200 auf dem ehemaligen Airport Hongkong Kai Tak – allerdings nur im Simulator am Frankfurter Flughafen. Der Belgier kam unverletzt davon, aber die Möglichkeit zu einmaligen Ausflügen auf den Seychellen gab es jetzt leider nicht mehr. Text und Fotos: Michael Klöters
Sportfliegergruppe Schwenningen a. N. e.V.
Ausbildungsleiter - Armin Schneider
Spittelbronner Weg 62
78056 Villingen-Schwenningen