Anbei der Reisebericht von Michael Klöters über seine Reise -> Namibia 2006
Afrikanisches Abenteuer
Einige schöne Flugreisen habe ich mit Ekkehard Fader schon mit Vereinsmaschinen von Schwenningen aus unternommen. Diesmal wollen wir Namibia erkunden. Es gibt freundschaftliche Verbindungen von Baden-Württemberg dorthin, und unsere Nachbarstadt Trossingen ist Partnerstadt der namibischen Hauptstadt Windhoek. Bei Georg Quandt, dem Vorstandsvorsitzenden der Volksbank Trossingen und Konsul der Republik Namibia, hole ich mir Informationen über das Land und Tipps für die Reise. Wir informieren uns über die Formalitäten, die für die Validation einer deutschen Pilotenlizenz erforderlich sind, um in Namibia selbst ein dort zugelassenes Flugzeug zu steuern. Das WFTC (Windhoek Flight Training Centre) und Westair Aviation, beide am Eros-Airport, dem Stadt-Flughafen von Windhoek, helfen ausländischen Piloten, die bürokratischen Hürden zu überwinden. Außerdem kann man dort für einen Namibia-Rundflug passende Flugzeuge chartern. Beides ist nicht ganz billig. Deshalb wollen wir selbst die für die Validation notwendigen Schritte unternehmen. Und für unsere Rundreise chartern wir schon von Deutschland aus in Windhoek eine Cessna 182. Der Besitzer, ein Deutscher namens Hartmann, betreibt am Eros-Airport eine flugzeugtechnische Werkstatt, fliegt aber nach zwei Herzinfarkten nicht mehr selbst. Der Charterpreis (trocken 600 Namibische Dollar entsprechend 81 € pro Stunde) ist erheblich günstiger als der bei den größeren Gesellschaften. Bei einem Verbrauch von 50 Litern pro Stunde und einem Preis von umgerechnet etwa 0,85 € pro Liter Flugbenzin 100 LL, halb so viel wie in Deutschland, kommen wir auf einen Stundenpreis nass von etwa 123 €. Die Cessna 182 L Skylane hat zwar mit Baujahr 1967 schon ein paar Jährchen auf dem Buckel , ist aber nicht nur neu lackiert, sondern vor allem bestens gewartet, und der Motor ist erst 600 Stunden alt. Dieser Flugzeugtyp ist mit seinem Festfahrwerk robust genug auch für Landungen auf holprigen Buschplätzen („unimproved airstrips“), und mit den 300 Liter fassenden Long-Range-Tanks ist die Reichweite groß genug für eine Gegend, wo man nicht überall Flugbenzin erhalten kann. Die Skylane ist recht geräumig, die zulässige Zuladung reicht bei einem Maximal-Gewicht von 1270 kg für uns und unser Gepäck aus, und sie hat mit ihrem luftgekühlten 230 PS starken Sechszylinder- Continental-O-470 R-Boxermotor genügend Kraft-Reserven, um uns auch im namibischen Hochland in die Luft zu bringen.
Der vollständige Bericht folgt nach den Bildern weiter unten.
Anbei der Reisebericht von Michael Klöters über seine Reise -> Namibia 2006
Afrikanisches Abenteuer
Einige schöne Flugreisen habe ich mit Ekkehard Fader schon mit Vereinsmaschinen von Schwenningen aus unternommen. Diesmal wollen wir Namibia erkunden. Es gibt freundschaftliche Verbindungen von Baden-Württemberg dorthin, und unsere Nachbarstadt Trossingen ist Partnerstadt der namibischen Hauptstadt Windhoek. Bei Georg Quandt, dem Vorstandsvorsitzenden der Volksbank Trossingen und Konsul der Republik Namibia, hole ich mir Informationen über das Land und Tipps für die Reise. Wir informieren uns über die Formalitäten, die für die Validation einer deutschen Pilotenlizenz erforderlich sind, um in Namibia selbst ein dort zugelassenes Flugzeug zu steuern. Das WFTC (Windhoek Flight Training Centre) und Westair Aviation, beide am Eros-Airport, dem Stadt-Flughafen von Windhoek, helfen ausländischen Piloten, die bürokratischen Hürden zu überwinden. Außerdem kann man dort für einen Namibia-Rundflug passende Flugzeuge chartern. Beides ist nicht ganz billig. Deshalb wollen wir selbst die für die Validation notwendigen Schritte unternehmen. Und für unsere Rundreise chartern wir schon von Deutschland aus in Windhoek eine Cessna 182. Der Besitzer, ein Deutscher namens Hartmann, betreibt am Eros-Airport eine flugzeugtechnische Werkstatt, fliegt aber nach zwei Herzinfarkten nicht mehr selbst. Der Charterpreis (trocken 600 Namibische Dollar entsprechend 81 € pro Stunde) ist erheblich günstiger als der bei den größeren Gesellschaften. Bei einem Verbrauch von 50 Litern pro Stunde und einem Preis von umgerechnet etwa 0,85 € pro Liter Flugbenzin 100 LL, halb so viel wie in Deutschland, kommen wir auf einen Stundenpreis nass von etwa 123 €. Die Cessna 182 L Skylane hat zwar mit Baujahr 1967 schon ein paar Jährchen auf dem Buckel , ist aber nicht nur neu lackiert, sondern vor allem bestens gewartet, und der Motor ist erst 600 Stunden alt. Dieser Flugzeugtyp ist mit seinem Festfahrwerk robust genug auch für Landungen auf holprigen Buschplätzen („unimproved airstrips“), und mit den 300 Liter fassenden Long-Range-Tanks ist die Reichweite groß genug für eine Gegend, wo man nicht überall Flugbenzin erhalten kann. Die Skylane ist recht geräumig, die zulässige Zuladung reicht bei einem Maximal-Gewicht von 1270 kg für uns und unser Gepäck aus, und sie hat mit ihrem luftgekühlten 230 PS starken Sechszylinder- Continental-O-470 R-Boxermotor genügend Kraft-Reserven, um uns auch im namibischen Hochland in die Luft zu bringen.
Donnerstag, 27.4.2006, Freitag, 28.4.2006
Wir treffen uns am Bahnhof Schiltach Mitte, und pünktlich um 15.07 Uhr beginnt unsere Reise mit der schönen Fahrt durch das Kinzig-Tal nach Offenburg. Von dort geht es mit dem ICE mit Umsteigen in Mannheim zum Frankfurter Flughafen. Um 20.45 startet der Airbus A 340-600 der SAA nach Johannesburg. Von meinem Fensterplatz aus kann ich noch einmal einen Blick auf Spaichingen werfen. Ich erkenne Zürich und später die Westspitze Siziliens mit Trapani. Wir überfliegen das Tibesti-Gebirge im Tschad, Zentralafrika, den Kongo, Sambia und Zimbabwe. Nach der Landung am Morgen sehen wir rechts und links entlang des Taxiways die Fahrzeuge der Flughafen-Feuerwehr aufgereiht, und unser Airbus rollt durch einen Bogen aus Wasser und Schaum, den die Löschwagen bilden. Ehe sich unter den Passagieren Unruhe ausbreiten kann, informiert uns der Purser, der Chefpilot der SAA, der unser Flugzeug gesteuert habe, werde heute nach diesem seinem letzten Flug pensioniert. Mit belegter Stimme verabschiedet sich der Captain von seinen letzten Passagieren. Wir steigen in eine Boeing 737 um, die uns über Botswana zum Hosea Kutako Airport bringt, dem internationalen Flughafen von Windhoek, 45 Kilometer östlich der namibischen Hauptstadt gelegen. (Der Name ist der eines Herero-Führers. Vor 1990 hieß der Airport J.G.Strijdom nach einem früheren südafrikanischen Präsidenten.) Unterwegs kommt aus dem Lautsprecher die Frage, ob ein Arzt an Bord sei. Eine 80-jährige Frau ist kollabiert und bewusstlos. In Schock-Lage kommt sie wieder zu sich, der Blutdruck ist wieder messbar, wenn auch niedrig. Sie klagt auf Afrikaans über Schmerzen im linken Unterbauch. Nierenkolik? Sigma-Divertikulitis? Der Purser bringt den Doctor’s Kit, der zwar keine Infusionslösung und keine Verweilkanüle, aber etwas Morphium und eine einfache Injektions-Kanüle enthält. Damit geht es der alten Dame etwas besser. Aber als sie versucht, sich zur Landung hinzusetzen und anzuschnallen, verliert sie wieder das Bewusstsein. Nur in Kopftieflage ist der Blutdruck ausreichend. Ich informiere den Piloten über das Problem, und er landet die Maschine ganz sanft, mit hochgezogenem Bug und ohne stärkeren Einsatz der Bremsen, auf der 4575 langen Bahn. Ein Ambulanzwagen wartet schon, mit einer Hebebühne wird die Patientin aus dem Flugzeug hineingehoben, ich steige zu ihr in den Krankenwagen. Die Sanitäter haben ebenfalls keine Infusionslösung im Wagen. Sie fahren bis zum Parkplatz vor dem Flughafengebäude. Dort halten sie an, um auf einen Krankenwagen aus Windhoek zu warten, da sie den Flughafenbereich nicht verlassen dürfen. Bis der eintrifft, bleibe ich bei der im Liegen ausreichend stabilen Patientin. Auch ihre Tochter und ihr Schwiegersohn sind inzwischen eingetroffen. In der Zwischenzeit hat Ekke unser Gepäck vom Band geholt, Pass- und Zollkontrolle hinter sich gebracht und einen Leihwagen besorgt, einen kleinen Toyota Tazz. Als die alte Dame in einigermaßen gutem Zustand zusammen mit ihren Angehörigen im Krankenwagen Richtung Windhoek unterwegs ist, kann ich mich im Flughafengebäude um die erforderlichen Formalitäten kümmern. Ich muss den verwunderten Beamten zunächst erklären, wieso ich aus der falschen Richtung zur Passkontrolle komme, ehe ich meinen Einreisestempel erhalte. Dann können wir uns entspannen. Namibia empfängt uns mit einem unendlich weiten sonnigen Himmel mit ein paar Schönwetter-Wölkchen, die Temperatur in der klaren Höhenluft (Windhoek liegt 1700 Meter hoch) ist angenehm. Wir rollen wie in England und Südafrika auf der linken Straßenseite durch die weite Steppenlandschaft, vorbei an einem Denkmal mit der namibischen Version der Bremer Stadtmusikanten. Statt Hahn auf Katze auf Hund auf Esel stehen hier Geier auf Warzenschwein auf Leopard auf Kaffernbüffel. Eine Straußendame spaziert durch das hohe Gras. In Windhoek angekommen fahren wir zunächst zu unserer Bleibe in den nächsten Tagen, dem Puccini Guest House, einer Backpacker-Unterkunft etwa 1 ½ km außerhalb des Stadtzentrums. Wir sind angenehm überrascht. Das nette verwinkelte Gebäude mit einem kleinen Pool im Innenhof und viel Grün und Blumen gehört Cristelle, die in der zweiten Generation in Namibia lebt. Ihre Vorfahren sind vor dreihundert Jahren von Holland nach Südafrika ausgewandert. Vier Jack Russels melden laut unsere Ankunft. Solche Hunde hatte Ekke auch schon in Schiltach. In der Außenbar steht ein Kühlschrank, aus dem die Gäste sich bedienen können. Ein Bier kostet zehn Namibische Dollar, der Preis für die Übernachtung mit Frühstück beträgt 285 N$. Ein Schweizer Mitbewohner versichert uns, das sei nur halb so viel wie in den meisten anderen kleinen Hotels. Es zieht uns zum Stadtflughafen mit dem schönen Namen Eros Airport. Nach einigem Suchen finden wir den sympathischen Herrn Hartmann, der mich mit seinem freundlichen Lächeln im bärtigen Gesicht etwas an Hardy Krüger erinnert, in seiner Werkstatt, in der gerade eine Cessna Caravan gewartet wird. Mit der Sauberkeit und Ordnung, die wir hier antreffen, haben wir in Afrika nicht unbedingt gerechnet. Er zeigt uns die V5 FIS (Victor five, die Landeskennung von Namibia, dann Foxtrot-India-Sierra), die uns in den nächsten Wochen über den südwestlichen Teil Afrikas tragen soll. Eine 100-Stunden-Wartung wurde gerade durchgeführt. Flugbenzin gibt es allerdings in ganz Namibia seit einer Woche nicht, ist aber für morgen früh angekündigt. Ein dreistrahliger Jet mit der Kennung V5-NAM und der Aufschrift „Republic of Namibia“ rollt vorbei. Wie wir erfahren, handelt es sich um die Maschine des Staatspräsidenten. Wir verabschieden uns für heute und fahren in die Innenstadt, um Geld umzutauschen. Der namibische Dollar ist an den südafrikanischen Rand gekoppelt. Der Umtauschkurs beträgt zur Zeit (2006) 7,4 N$ für 1 €. Um 17.30 geht die Sonne unter, nach kurzer Dämmerung ist es dunkel. Die Zeit hier entspricht der deutschen Winterzeit, im östlichen Nachbarland Botswana ist es eine Stunde später entsprechend der deutschen Sommerzeit. In einem Restaurant stillen wir unseren Hunger mit Rippchen und Chicken Wings, und auch für den Durst ist mit dem guten namibischen Windhoek-Bier, das nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut wird, bestens gesorgt.
Samstag, 29.4.2006
Um 6.55 Uhr werden wir von sonorem Motorengeräusch geweckt. Es handelt sich um eine gerade gestartete DC 6, die wir uns später aus der Nähe ansehen können. Sie ist wunderschön restauriert und trägt den Namen „Pride of Namibia“. Heute holt sie 22 000 Liter Flugbenzin aus Südafrika, so dass auch unsere Cessna Skylane wieder in die Luft kann. Wir lassen uns das Frühstück mit Toastbrot, Milch und Cornflakes, Streichkäse, Nutella, Erdnussbutter, Fruchtquark und Kaffee bzw. Tee schmecken. Um 10 Uhr fahren wir zum Flugplatz, denn für 11 Uhr ist unser Checkflug vorgesehen. Wir sind dafür mit Silvia Blaurock verabredet, die auch pünktlich mit ihrem grünen Landrover eintrifft. Leider fehlt unsere Cessna: Jemand hat sie sich noch für einen kurzen Trip ausgeliehen. Wir verschieben den Checkflug auf 14 Uhr und nutzen die Zeit, um einiges über Fliegen in Namibia, Flugplätze und unsere mögliche Reiseroute zu erfahren. Silvia lebt eigentlich als Reiseveranstalterin, die ihre Gäste durch Namibia und die umliegenden Länder fliegt und für angemessene Unterkünfte sorgt. Wir möchten aber unser Flugzeug selbst übers Land steuern und uns mit vorgebuchten Hotels nicht festlegen, sondern spontan, frei und ungebunden über den Ablauf unserer Reise entscheiden. Also ist Silvia bei uns nur für den Checkflug zuständig, der 800 N$ kostet, dazu kommt eine Gebühr von 104 N$. Wir suchen Dean Martin auf. Dabei handelt es sich nicht um den amerikanischen Sänger und Schauspieler, sondern um einen lustigen Afrikaner, der einen Pilot Shop betreibt und bei dem wir uns mit Kartenmaterial und Flugplatz-Informationen versorgen. Aus dem Hotel holen wir noch unsere Headsets. Unterwegs müssen wir kurz anhalten, da Polizisten die Straße gesperrt haben: Die Kavalkade des Präsidenten rauscht an uns vorbei. Wir tanken die inzwischen wieder eingetroffene Skylane voll und können endlich um 14 Uhr einsteigen und zu unseren Checkflügen starten. Wir verlassen die Flugplatz-Region Richtung Norden und steigen auf 8000 Fuß. Dabei verfolgen wir am Funk auf der Frequenz 124,400, wer sich sonst noch so in der Gegend herumtreibt. In der General aviation area dürfen wir zeigen, dass wir exaktes Einhalten von Kurs und Höhen, Steilkurven und Stalls beherrschen. Ein Motorausfall wird simuliert, Landungen und Starts, auch auf einer Schotterpiste, vorgeführt. Wir lernen die landesüblichen Gepflogenheiten am Funk kennen. Beim Flug zu unbemannten Plätzen – das sind die meisten im südlichen Afrika – setzt man 20 NM vor der Ankunft seine Meldung ab. Das klingt z.B. so: “Shakawe traffic, V5-FIS, Cessna 182, VFR from Maun to Shakawe, position 20 NM inbound in FL 65, next report 10 NM inbound. Traffic please acknowledge.” Das wiederholt man bei Position 10 NM und 5 NM inbound, overhead, downwind, base und final und meldet schließlich “ Runway vacated.” Dazu kommt ggf. das, was man vorhat: „My intention is to cross midfield and enter traffic circuit Runway 09.” Beim Abflug von einem Platz wie Eros meldet man sich wie üblich einschließlich “persons on bord” und “endurance”. Aus zwei Gewittern fällt etwas Regen. Ich bin mit meiner Fliegerei nicht so zufrieden und weiß, dass ich es besser kann. Schließlich haben wir es um 16.30 Uhr geschafft und bezahlen pro Person 800 ND für den Checkflug plus eine Gebühr von 104 N$. Am Abend gönnen wir uns in der „Kaiserkrone“, einem Restaurant im Zentrum von Windhoek, einen Fleischspieß mit Oryx-Antilope, Krokodil, Strauß und Kudu.
Sonntag, 30.4.2006
Heute haben wir keine Termine zu absolvieren und nutzen den Tag, um mehr von der namibischen Hauptstadt kennenzulernen. An der Hauptstraße im Stadtzentrum, der Independence Avenue, die früher Kaiserstraße hieß, findet man neben modernen Hochhäusern auch einige Gebäude aus der deutschen Kolonialzeit. Östlich davon erinnern Christuskirche, Reiter-Denkmal und der „Tintenpalast“, das frühere deutsche Verwaltungsgebäude und heutige Parlament, an die Zeit vor hundert Jahren. Die weiß leuchtende Alte Feste auf einer Anhöhe hinter dem Reiterdenkmal, das ehemalige Hauptquartier der deutschen „Schutztruppe“, beherbergt heute das Staatsmuseum. In den nächsten Tagen werden wir die Innenstadt belebter kennenlernen als am Sonntag, mit den verschiedensten Geschäften, Straßenhändlern, die afrikanische Holzmasken und Trommeln feilbieten, Geschäftsleuten im korrekten Anzug und Hererofrauen in ihren aus der Kaiser- Zeit stammenden langen, farbenfrohen Gewändern mit zahlreichen Unterröcken und ausladender Kopfbedeckung. Wir fahren hinaus zum hauptsächlich von Deutschen besuchten Sportclub von Windhoek. Im Gegensatz zum englisch geprägten Country Club mit Golfplatz und Spielcasino gibt es hier Plätze für Fußball und Hockey, acht Tennisplätze und einen Festsaal, der mit Lampions und buntglitzernder Dekoration, leeren Flaschen und Gläsern auf langen Tischreihen noch die Überreste einer deutschen Karnevalsfeier aufweist. Eine lange Reihe von Fotografien an der Wand zeigt die Karnevals-Prinzenpaare von Windhoek aus den letzten fünfzig Jahren. Dieses Jahr sei auch eine bekannte Band aus Köln dagewesen, die Räuber, die mit ihrem Auftritt erfolgreich für rheinische Stimmung gesorgt hätten, wie wir hören. Den traditionellen Festumzug mit Wagen und kostümierten Narren haben wir knapp verpasst. Wir hätten allerdings auch nicht damit gerechnet, dass Karneval in Windhoek im April gefeiert wird. Am Nachmittag lernen wir für die Funkprüfung, die für morgen vorgesehen ist, und sehen unserer Wirtin Cristelle dabei zu, wie sie vier Stunden lang für ihre Gäste ein großes Abendessen zubereitet. Es gibt Billtong (getrocknetes Fleisch) mit verschiedenen Soßen und einen sehr leckeren Eintopf mit Lamm und Kalahari-Trüffeln, dazu einen guten Rotwein. Leicht kommt man mit den anderen Gästen ins Gespräch. Birgit aus Deutschland ist mit Bothas, einem San (Buschmann) da. Sie möchte in Nord-Namibia einen Film über das Volk der San machen. Eine andere Deutsche hat an einer Privatschule unterrichtet, für 800 N$ / Monat. Zum Abschied schenkt sie ihren Schülern einen Volleyball, der sie mehr als ein halbes Monatsgehalt gekostet hat. Mario aus der Schweiz will mit einem Geländewagen durchs südliche Afrika fahren, und ein Japaner ist mit dem Fahrrad unterwegs.
Montag, 1.5.2006
Um 11 Uhr fahren wir in den Ortsteil „Kleine Kuppe“, der hinter dem Eros-Flugplatz und dem Sportclub liegt. Hier wohnt Susanne, eine Österreicherin, die am Eros Airport und am Hosea Kutako International Airport als Controllerin arbeitet. Ihre Schicht seit dem Morgen um 5 Uhr ist gerade zu Ende. Sie bewohnt ein hübsches Haus mit schönem Ausblick. Wie in unserem Hotel sind allerdings auch hier die den Garten umgebenden Mauern mit Stacheldraht gesichert. Wir haben uns zur Funkprüfung angemeldet. Der Radio-Check kostet 200 N$ pro Person und beinhaltet auch Fragen nach der Luftraumstruktur in Namibia. Die Prüfung ist kein Selbstläufer, aber mit unserer Vorbereitung gut zu bestehen. Wir bekommen noch einige Tipps und den Rat, uns auf dem Tower am Eros Airport mal den Alltag einer Controllerin anzusehen. Ab 16 Uhr habe ihre Kollegin Philippine Dienst und könne uns alles zeigen. Auf dem Tower am Flugplatz ist gerade nicht so viel los, und Philippine hat Zeit, sich etwas mit uns zu unterhalten. Sie erzählt von ihrer alltäglichen Praxis und der vier-jährigen Ausbildung, die sie dafür absolviert hat. Wir kommen auf den Winter in Deutschland mit Eis und Schnee zu sprechen. Der Kommentar der schwarzen Schönheit: „Aber das ist ja schrecklich. Da kann man ja gar nichts Nettes anziehen ….“. Wir lernen noch etwas für die Prüfung in namibischem Luftrecht. Zum Abendessen setzen wir uns in die „Grand Canyon Spur Steak Ranch“. Auf dem Weg ins Hotel überrascht uns ein heftiges Gewitter.
Dienstag, 2.5.2006
Um 8 Uhr absolvieren wir am Eros Airport im Windhoek Flight Training Centre bei Erna von Drewitz unsere Prüfung in namibischem Luftrecht. Die 19 Multiple-Choice-Fragen stellen nach unserer Vorbereitung kein Problem dar, wir haben sie nach 20 Minuten zufriedenstellend angekreuzt. Im Copy-Shop gegenüber dem Puccini-House fertigen wir für 40 namibische Cent pro Blatt die nötigen Kopien an und fahren zum Ausspannplatz, wo sich das Directorate of Civil Aviation des Ministry of Works, Transport and Communication befindet. Die beiden zuständigen etwas fülligen Damen im besten Alter sagen uns natürlich, das mit der Lizenz-Validierung ginge nicht so einfach und schnell. Wir benötigten dafür in Kopie: Pass, Pilotenlizenz, beglaubigte Kopie der letzten Logbuchseite, Funksprechzeugnis, gültiges Medical, maximal 12 Monate alt, auf Englisch, Bescheinigung über Briefing und Checkflug, jeweils mindestens einstündig, Bescheinigung über eine theoretische und praktische Funkprüfung von 1 ½ Stunden bei einem Air Traffic Controller, bestandene Luftrecht-Prüfung. Die beiden Damen staunen, als wir alle benötigten Unterlagen Blatt für Blatt vorlegen. Sie überlegen, und es fällt ihnen noch etwas ein: Nach einer neuen Richtlinie benötigen sie noch die Telefon-Nummer der zuständigen deutschen Behörde, um sicherzustellen, dass es mit unseren Namen, dem Datum der Erstausstellung und dem Ablaufdatum unserer PPL seine Richtigkeit habe. Ich rufe zu Hause an, und meine Frau sucht mir die Durchwahl des zuständigen Sachbearbeiters im Regierungspräsidium Freiburg heraus. Damit gehen wir wieder zur namibischen Luftfahrtbehörde. Ob man jetzt in Freiburg anrufen könne? Das gehe keineswegs, im Moment sei gerade Tee-Pause. Wir einigen uns darauf, dass die benötigte Auskunft aus Freiburg auch per Fax nach Windhoek geschickt werden kann und rufen selbst in Freiburg an. Dort heißt es zunächst, unser Wunsch sei wegen Arbeitsüberlastung nicht zu erfüllen, zumal das Fax auf Englisch formuliert werden muss. Schließlich sagt man uns doch zu, ein solches Fax nach Windhoek zu schicken. Mit Mario, unserem Schweizer Mitbewohner, und der Lehrerin aus dem „Puccini“ essen wir wieder in der „Kaiserkrone“ zu Abend. Angesicht des leckeren Kudu und der exquisiten Kalahari-Trüffel können wir den korkigen Geschmack des Weins verschmerzen.
Mittwoch, 3.5.2006
Wir pilgern wieder zur Luftfahrtbehörde. Ein Fax aus Deutschland ist noch nicht eingetroffen. Ich rufe noch einmal in Freiburg an, man sichert mir die rasche Erledigung zu. Am Flugplatz geben wir Flugplatz-Koordinaten aus unserem Flugplatz-Führer ins eingebaute GPS ein und checken die Jeppesen-Liste in unserem Backup-GPS. In der Stadt kaufen wir in einem Billtong-Shop einen kleinen Nahrungsvorrat für unterwegs in Form von Trockenfleisch vom Rind, Kudu, Springbock usw.; auf getrockneten Elefant verzichten wir. Aber als Notvorrat nehmen wir 20 Liter Trinkwasser mit. Um 16 Uhr ist das Fax aus Deutschland endlich da, nicht aber der Direktor der Zivil-Luftfahrt, dessen Unterschrift für die Validierung unseres PPL erforderlich ist, womit bescheinigt wird, dass unser Flugschein für zwei Monate als Äquivalent eines namibischen PPL akzeptiert wird. Wir glauben fast nicht mehr daran, in absehbarer Zeit das dringend benötigte Papier in den Händen zu haben. Aber um 17 Uhr erscheint der Direktor, ein distinguierter schwarzer Herr in weißem Hemd, Krawatte und schwarzem Anzug, um die erforderliche Unterschrift zu leisten. Wir bereiten den Flug nach Maun in Nord-Botswana vor, von wo aus wir das Okavango-Delta erkunden wollen, packen unsere Sachen abflugbereit zusammen und beschließen den doch noch erfolgreichen Tag noch einmal in der „Kaiserkrone“, die sich allmählich zu unserem Stammlokal entwickelt und wo wir uns draußen in der milden Abendluft ein leckeres Stück Springbock schmecken lassen.
Donnerstag, 4.5.2006
Wir beladen die Cessna und geben unseren kleinen Toyota-Leihwagen ab. Wir holen für unseren Flug nach Maun die erforderlichen Notams ein, die nichts Besonderes enthalten, informieren uns über das Wetter (CAVOK bis Maun, Rückenwind) und geben den Flugplan auf. Um 9.53 UTC sind wir endlich in der Luft. Ekke fliegt, ich kümmere mich um den Funk und die Navigation. Die Controllerin im Tower ist Susanne, wir verabschieden uns. Die Umgebung kennen wir vom Checkflug. Hospital, Power Station, dann geht es nördlich an Hosea Kutako vorbei. In 7500 Fuß fliegen wir auf Ostnordostkurs über die Kalahari. Die zunächst noch zahlreichen Farmen, teilweise mit Landestreifen, werden spärlicher. Straßen gibt es in dem ziemlich flachen Land kaum noch, schließlich sehen wir nur noch Wildpfade. Die Grenze zwischen Namibia und Botswana ist aus der Luft gut zu erkennen und verläuft schnurgerade bis zum Horizont. Wir umfliegen ein Gewitter und sind dann schon im langen Endanflug auf Maun. Wir erledigen die Formalitäten: Passkontrolle mit Einreise-Stempel bei Immigrations, Zollkontrolle. Dabei fällt uns plötzlich siedend heiß ein: In der Freude, endlich loszukommen, haben wir in Windhoek ganz vergessen, neben den fliegerischen Formalitäten auch bei Immigrations vorbeizugehen und uns einen Ausreise-Stempel in den Pass drücken zu lassen. Wir sind also illegal ausgereist, und wenn wir nach Namibia zurückkehren, sind wir für die dortigen Behörden zweimal im Land. Nun, im Moment können wir daran nichts ändern, wir werden sehen. Ein großes Plakat und ein Glas mit Kondomen erinnert an das große Problem, das Afrika mehr als alle anderen Kontinente betrifft: Aids. Wir tauschen botswanische Pula ein und lassen unsere Cessna volltanken. Auf dem Vorfeld steht ein Jumbolino. Die Passagiere, die er gebracht hat, werden mit ihrem Gepäck in eine Schar von sechssitzigen Cessna 210 Centurion verladen, die sie zu einigen der Lodges im Okavango-Delta bringen werden. Die Böenwalze des Gewitters, das wir umflogen haben, zieht durch. Als die ersten Regentropfen fallen, lassen wir uns ins Cresta Riley‘s Hotel bringen. Nach einem Begrüßungs-Softdrink und einer Dusche erkunden wir das Städtchen. Es scheint in erster Linie aus Supermärkten und Tankstellen zu bestehen. Außerdem sehen wir noch einen Möbelladen, Hardware-Läden, ein Internet-Café und zwei Friseurgeschäfte. Ein Reisebüro finden wir nicht. Wir wissen, dass die Lodges im Okavango-Delta meist 500 bis 1000 US$ pro Person und Tag kosten und suchen nach einer günstigeren Möglichkeit. Im Internet-Café erhalten wir den Tipp, doch die Drotsky-Cabins in Shakawe in Betracht zu ziehen. Wir rufen dort an und erfahren, dass der Übernachtungspreis dort mit 600 Pula pro Nacht (1€ entspricht 6,5 Pula) nur bei einem Bruchteil der befürchteten Kosten liegt. Also melden wir uns für morgen an. Auch mit dem abendlichen Buffet sind wir zufrieden: Pilzsuppe, Salat-Bar, Fleisch nach Wunsch. Ekke wählt Strauß, ich nehme Lamm. Dazu passt gut eine Flasche roter Nederburg.
Freitag, 5.5.2006
Am Flugplatz treffen wir die deutsche Pilotin Heike Schweigert, die mit ihrer Cessna 172 Touristen durchs Land fliegt und uns mit einigen Tipps versorgt. Einige Jahre später wird sie das sehr hilfreiche Buch „Cross Border Informations“ mit Informationen für VFR-Flüge von Deutschland ins europäische Ausland verfassen. Wir starten zu einem schönen Flug über das Okavango-Delta Richtung Shakawe. Der etwa 1700 Kilometer lange Okavango entspringt in Angola, durchquert den namibischen Caprivi-Zipfel, teilt sich in Botswana in mehrere Arme auf und bildet ein weites, abflussloses Seen- und Sumpfgebiet, das als artenreiches Tier-Paradies bekannt ist. Wir fliegen in 4000 bis 4500 Fuß MSL, d.h. etwa 1000 Fuß über Grund, über die Flussarme, Gras-, Sumpf- und Wasserflächen, die mich etwas an die Everglades im allerdings wesentlich mehr bevölkerten Süd-Florida erinnern. Einige Male passieren wir die Naturlandebahn einer Lodge, die nur auf dem Wasser- oder Luftweg zu erreichen ist. Von Zeit zu Zeit überfliegen wir ein Dorf mit strohgedeckten Rundhütten oder auch Wellblech-Behausungen. Selten ist eine einsame, teilweise überspülte Auto-Fahrspur zu sehen. Unser Ziel, Shakawe, liegt nur wenig südlich des Caprivi-Streifens und ist auch über eine Straßen zugänglich. Wir schauen uns bei einem tiefen Überflug die 1100 Meter lange Asphalt-Piste des 3300 Fuß hoch gelegenen Flugplatzes und den Windsack an. Auf der Bahn ist kein Wild zu sehen, und unser Motorengeräusch soll etwaige Störenfriede vertreiben. In Anbetracht der Höhe und der Mittagshitze sind wir mit der Steigfähigkeit unserer C 182 zufrieden und froh, kein billigeres, aber schwächer motorisiertes Flugzeug gewählt zu haben. Nach der Landung parken wir unsere Maschine vor einer großen, reetgedeckten Rundhütte. Am Informationsbrett hängt die Mitteilung: „Welcome to Shakawe Airport. Elephants by Appointment only.“ Drotsky wartet schon auf uns und bringt uns mit seinem Pickup zur Lodge direkt am Ufer des Okawango. Außer Hütten gibt es auch ein Camping-Gelände mit Strom-und Wasserversorgung und Grillplatz. Das Camp ist mit einem Elektro-Zaun vor unerwünschten Flusspferd-Besuchen geschützt. Direkt vor der Terrasse unserer Hütte fließt langsam das Wasser des Okavango an uns vorbei. Zwei Hippos baden am gegenüberliegenden Ufer und überqueren dann den Fluss. Um 16 Uhr starten wir mit einem Motorboot zu einer Erkundungsfahrt. Nur wenige Meter vom Camp entfernt liegt reglos ein etwa drei Meter langes Krokodil an der Uferböschung in der Sonne. Langsam tuckert das Boot den Fluss entlang. Unser Führer hat einen guten Blick für die Tiere, die sich im Ufergestrüpp verbergen oder reglos auf den Bäumen sitzen. Ein über einen Meter langer Waran fühlt sich von uns gestört und gleitet vom Ufer ins Wasser, wo er geschickt davon schwimmt. Vor allem die Vielfalt der Vogelwelt fasziniert uns. Wir beobachten Kolonien von Webervögeln, verschiedene Kingfisher (Eisvogel)-Arten, Kormorane und Schlangenhalsvögel, Reiher, Stelzenläufer,Falken und Fischadler. Als die Sonne sich dem Horizont nähert, machen wir uns auf den Rückweg. Unser Führer jagt jetzt das Boot mit voller Leistung über das Wasser. Mit über dreißig Knoten kurvt er zwischen Schilfinseln durch die Seitenarme des Flusses. Plötzlich stoppt er, und zum Abschluss dürfen wir noch einen prächtigen Schrei-Seeadler bewundern, der majestätisch auf einem Baum am Ufer thront und dessen Kopf, Hals und Brust sich weiß leuchtend von den braunen Flügeln abheben. Begeistert von der schönen Boots-Safari erreichen wir die Anlegestelle der Lodge. Beim Abendessen und einer Flasche Cabernet Sauvignon, die wie alles Übrige von Maun aus 380 Kilometer hierher gefahren werden muss, unterhalten wir uns mit zwei Urlaubern aus Südafrika.
Samstag, 6.5.2006
Ich werde wach und blicke aus dem Fenster. Der Okavango zieht vorbei. Ich höre Wildtauben und andere Vögel. Auf einem Baum am Ufer sitzt ein Kingfisher. Schöne Blüten leuchten aus dem Grün der Palmen. Wir stärken uns mit einem englischen Frühstück mit Rührei, Speck und Würstchen. Drotsky bringt uns zum menschenleeren Flugplatz, wo eine einsame Cessna Skylane auf uns wartet. Nach dem Start schauen wir uns dieses schöne Fleckchen Erde noch einmal aus der Luft an. Dann genießen wir den herrlichen Flug über das Okawango-Delta und die Steppe Nord-Botswanas. Wir sehen zahlreiche Wasserlöcher, davon zwei mit Elefanten. Unser Ziel ist Kasane am Chobe River. Im Chobe-Nationalpark leben die meisten und größten Elefanten Afrikas. Nach der Landung tanken wir zunächst unseren Flieger wieder voll. Dass es eine Woche lang in Namibia kein Flugbenzin gab, hat uns vorsichtig gemacht. Für unseren Aufenthalt in Kasane hat man uns die Garden Lodge empfohlen. Mit 100 US$ pro Nacht ist sie nicht ganz billig, aber wir fühlen uns sehr gut aufgehoben. Die Lodge mit 8 Zimmern und 24 Betten liegt direkt am Chobe River, mit einer hundert Meter breiten Wiese zwischen den Wohngebäuden und dem Fluss. Die deutschen Verwalter Barbara und Guido, der uns vom Flughafen abgeholt hat und eigentlich Psychologe ist, leben seit ein paar Monaten hier, zusammen mit zwei riesigen irischen Wolfshunden, einem Schäferhund, der deutlich kleiner ist als diese, einem lebhaften kleinen Jack Russel und ein paar jungen Katzen. Die Sonne geht malerisch hinter dem Fluss unter, und bis zum Abendessen um 19.30 Uhr ist noch eine Stunde Zeit, um sich mit anderen Gästen zu unterhalten. Eine Arztfamilie aus Gummersbach mit drei Kindern, die für zwei Jahre in Katima Mulilo wohnt, Luftlinie 110 Kilometer entfernt nordwestlich im namibischen Caprivi-Zipfel gelegen, ist zur Erholung übers Wochenende gekommen. Er arbeitet im Krankenhaus dort nicht in seinem Fachgebiet als Chirurg. Diese Tätigkeit wird von Ärzten aus Kuba und Sambia ausgeübt. Er kümmert sich wie schon vorher in Tansania um die Aids-Bekämpfung, ebenso wie eine Krankenschwester aus München. Die Infektionsrate liege in Namibia bei 40 % der Bevölkerung. Es gehe um Prävention und Versorgung mit Medikamenten, die kostenlos abgegeben werden. Ein Medizinstudium ist übrigens in Namibia nicht möglich. Namibier, die Arzt werden wollen, müssen in Südafrika studieren. Das Abendessen, gefüllte Champignons und Hähnchen, schmeckt uns gut. Unser nächstes Ziel ist der Victoria-Fall, der vom Sambesi-Strom gebildet wird. Nördlich des Sambesi liegt Livingstone in Sambia, südlich Victoria Falls in Zimbabwe. Beide Städte haben Flughäfen. Nach Zimbabwe bekommen wir keine Telefon-oder Fax-Verbindung. Das Telefonat mit der Militärbehörde in Sambia verspricht eher Erfolg. Wie vorgeschrieben mehr als 24 Stunden im Voraus beantragen wir bei der sambischen Luftwaffe die erforderliche Einflug-Genehmigung mit Einflug-Nummer. Ein etwa 65-bis 70-jähriges Ehepaar aus Livingstone gibt uns eine Adresse für die Übernachtung dort. In der Nacht grast ein Flusspferd auf der Wiese fünf Meter hinter unserer Terrasse, nur durch ein niedriges Mäuerchen und eine Hecke von uns getrennt. Wir schlafen tief und fest unter unseren Moskito-Netzen und bekommen davon nichts mit.
Sonntag, 7.5.2006
Am Morgen tummelt sich eine Warthog (Warzenschwein)- Familie auf der Wiese vor unserer Terrasse. Die Erwachsenen verfügen über beeindruckende Hauer. Einer der beiden irischen Wolfshunde hat anscheinend noch keine Erfahrungen mit Warzenschweinen gemacht und möchte mit ihnen spielen. Das Angebot wird von den Warzenschweinen aber missverstanden, und er holt sich einen fünf cm langen blutigen Riss am Hinterlauf, den der Chirurg mit Mercuchrom fachmännisch versorgt. Nach dem leckeren Frühstück mit Schinken- und Käse-Omelette starten wir zu einer dreistündigen Fotopirsch in den Chobe- Nationalpark (Preis 30 US$ pro Person plus 11 US$ Eintritt in den Nationalpark). Die Lodge veranstaltet auch Bootsausflüge auf dem Chobe River, aber das haben wir ja gerade auf dem Okavango hinter uns. Unser Gefährt ist ein verlängerter Toyota Landcruiser Pickup mit 12 Sitzen auf der Ladefläche. Wir sind aber heute die einzigen Gäste der Lodge und daher mit unserem Guide alleine unterwegs, so dass er auf unsere Wünsche nach ausgiebigen Fotopausen eingehen kann. Die Menge und Vielfalt an wilden Tieren, die wir zu sehen bekommen, ist überwältigend. Spaßige Baboon (Pavian)-Gruppen mit Familienmitgliedern aller Altersstufen unterhalten uns. Red Hornbills (Rotschnabel-Tokos) sind an ihrem großen gebogenen roten Schnabel gut zu erkennen, während die Crowned Guineafowl (Perlhühner), von denen wir eine große Gruppe sehen, im Unterholz oft gut getarnt sind. Wir unterscheiden zwei verschiedene Adlerarten. Auf einem Ast sitzt ein Black Eagle-Paar (Kaffern-Adler). Über uns kreisen zwei Fish Eagles (Schreiseeadler). Antilopen sind vielfältig vertreten. Wir sehen zahlreiche unbesorgt äsende weißbäuchige Springböcke mit schönen großen Augen und Kudus mit ihren langen gewundenen Hörnern, dem Buckel auf dem Rücken und den charakteristischen dünnen Querstreifen auf dem Rumpf. Zwei Warzenschweine paaren sich ungeniert inmitten ihres Nachwuchses. Andere knien auf den Vorderläufen, die Hinterläufe gestreckt, den Po in den Himmel gereckt, und wühlen mit der Schnauze den Boden um. Majestätisch (oder hochnäsig?) ziehen Giraffen ihres Weges. Zwei große Elefantenherden mit jeweils über dreißig Tieren baden und trinken im Fluss, wo auf einer Sandbank auch eine Gruppe von über zwanzig Flusspferden laut prustend spielt. Ein in der Nähe ruhendes Krokodil stört nicht dabei, man beachtet sich nicht. Zwei alte Elefantenbullen können wir aus der Nähe beobachten. Der eine bewirft sich mit Sand und fächelt sich mit den riesigen Ohren Kühlung zu. Der andere frühstückt gerade. Aus knapp zehn Metern Abstand können wir beobachten, wie er sich ruhig die besten Zweige aus den Bäumen rupft. Wir haben volles Vertrauen zu unserem Führer. Er kennt sich aus mit den Verhaltensmustern der imposanten Riesen und würde bei den ersten Anzeichen von Unmut und beginnender Aggressivität den Rückzug antreten und uns in Sicherheit bringen. Aber das ist nicht nötig. Langsam entfernt sich der Alte, ohne uns besonders zu beachten. Das kleinste, aber nicht harmloseste Tier, das uns unser Guide zeigt, ist eine Tse Tse-Fliege, die die Schlafkrankheit überträgt. Viel zu schnell ist unser Ausflug in den Nationalpark vorbei. Während ich auf unserer Terrasse mein Tagebuch aktualisiere, liegt ein kleines Kätzchen schlafend neben meinen Aufzeichnungen. Auch als wir später für die Planung des Flugs morgen eine Karte auf dem Tisch ausbreiten, sitzt es daneben und schaut uns interessiert zu.
Montag, 8.5.2006
Mit uns sitzen Barbara und Guido und außerdem Philipp, der Besitzer der Lodge, am Frühstückstisch. Um 10.30 trifft unsere Einflugnummer für Sambia ein, es kann losgehen. Unser heutiger Flug ist nur kurz, zwischen Kasane und Livingstone liegen gerade mal sechzig Kilometer. Wir drehen zwei Vollkreise über der Garden Lodge und dem Chobe River, der dann bald in den Sambesi mündet. Jetzt sehen wir schon in der Ferne die Dunstwolke über den Victoria Falls. Der Einflug nach Sambia ist mit der Einflug-Nummer problemlos. Wie gefordert melden wir uns jeweils 20 NM und 10 NM inbound Livingstone VOR, steigen auf 6000 Fuß (in 5000 Fuß und 4000 Fuß sind über dem Wasserfall Hubschrauber bzw. Motordrachen mit Touristen unterwegs), melden „abeam airport“ und können dann in Ruhe unsere Kreise um dieses einmalige Schauspiel ziehen. - Dies könne man, wie wir hören, auch mit einer Tiger Moth haben (20 Minuten für 120 US$), wenn sie nicht gerade, wie zur Zeit, außer Betrieb sei. - Der Blick auf den 1700 Meter langen und 119 Meter tiefen Spalt, in den der Sambesi tosend hinabstürzt, ist grandios. Die enge Schlucht, durch die das Wasser abfließt, wird von einer Eisenbahn- und Straßenbrücke überspannt, die Sambia und Zimbabwe verbindet. Wir haben aus der Luft einen wunderbaren Überblick über diese großartige Szenerie. „Mosi Oa Tunya“, „Rauch, der donnert“, hieß dieser Ort sehr treffend in der Sprache der Einheimischen, der Makalolo, schon lange, bevor 1855 der schottische Missionar, Arzt und Forscher David Livingstone als erster Europäer hierher kam und ihn nach seiner Königin benannte. Schließlich reißen wir uns von dem Anblick los und landen in Livingstone. Am Rollhalt wartet ein British Midland Airliner darauf, dass wir den Runway velassen. Beim Geldumtausch erhalten wir 3800 Kwacha für einen Euro. Das Visum zur mehrfachen Einreise (wir wollen auch auf die Zimbabwe-Seite der Fälle und wieder zurück) kostet pro Person 40 US$, für eine einmalige Einreise hätten wir 30 US$ pro Person bezahlt. Ein Taxi bringt uns für 30000 Kwacha zur Chanters Lodge, wo wir für 180 000 Kwacha pro Tag mit Frühstück gut untergebracht sind. Es gibt einen Fernseher, eine Klimaanlage und vor allem einen angenehmen Garten mit einem erfrischenden kleinen Pool. Die Lehrerin, die wir mit ihrem Mann in der Garden Lodge in Kasane kennengelernt haben, hat uns schon angekündigt und kommt nach einem harten Unterrichtstag zum entspannenden Bad im Pool. Wir erfahren etwas von den familiären Umständen von Mr. Chanter, dem Besitzer der Lodge: Eine Frau lebt mit zwei Söhnen in England. In Malawi hat er eine Frau mit zwei Kindern zurückgelassen. Von seiner Frau in Sambia hat er einen vierjährigen Sohn, alle übrigen Kinder sind erwachsen. Nach dem Schwimmen nehmen uns unsere freundlichen Bekannten in ihrem alten Allrad-Wagen, genannt „the beast“, mit in die Stadt. Vor dem Livingstone-Museum finden wir eine Statue des tschechisch-österreichischen Afrika-Forschers Emil Holub, der unter anderem 1875 die erste Karte der Viktoria-Fälle anfertigte, und daneben ein Standbild Livingstones. Nicht weit entfernt ist ein Oldtimer-Flugzeug ausgestellt. Das Museum beherbergt nicht nur Knochen-und Steinwerkzeugfunde und Metall-Arbeiten aus der Zeit vor 1400, sondern auch einen großen Livingstone-Saal mit Informationen über seine drei Reisen. Für unsere Orientierung ist besonders ein großes Modell der Victoria-Fälle interessant. Wir bummeln noch durch die bunte und lebhafte Stadt, bevor wir uns zum Abendessen Fisch aus dem Sambesi und dazu ein kühles Rhino-Bier schmecken lassen.
Dienstag, 9.5.2006
Wir frühstücken englisch mit Käse-Speck-Omelette im schönen Garten. Dann bringt uns ein Taxi für 30 000 Kwacha zur Grenze. Wir überqueren zu Fuß die alte Eisenbahnbrücke, von der wir einen schönen Blick auf den Fluss haben, der mehr als hundert Meter unter uns durch die Schlucht rauscht. Am Ufer ist ein Gummifloß vertäut, das auf mutige Wildwasser-Bezwinger wartet. Etwa ein Kilometer flussabwärts sehen wir das berühmte Victoria Falls Hotel, das wir später noch aufsuchen wollen. Am Straßenrand wühlen ein paar Warzenschweine im Gras. Wir gehen zur Grenzstation. Das Visum für Zimbabwe, das mit Hologramm versehen in den Pass geklebt wird, wie wir es aus den USA kennen, kostet 30 US$. An der Grenze warten zahlreiche Zimbabwer auf Touristen und auf die Gelegenheit, sich ein wenig zu verdienen – kein Wunder bei einer Arbeitslosigkeit von 80 %. Ein arbeitsloser Lehrer klagt uns sein Leid und berichtet von den schwierigen Verhältnissen im Reich des greisen Robert Mugabe, nach dem in Windhoek schon eine große Straße benannt wurde. 200 Meter hinter der Grenzstation befindet sich der Eingang zum Victoria Falls Park mit einer kleinen Ausstellung über die Geschichte der Fälle. Der Eintritt in den Park kostet für Ausländer pro Person 20 US$. Einheimische müssen pro Person 460 000 Zimbabwe Dollars zahlen, was etwa 2 US$ entspricht. (Bei einer Inflationsrate von über 1000 % sind genaue Angaben über den Wechselkurses nicht möglich.) Wir gehen, mit Regenschutz ausgestattet, durch die üppige tropische Regenwald-Vegetation am Wasserfall entlang von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt mit immer wieder neuen atemberaubenden Blicken auf die tosenden Wassermassen, die in die tiefe Schlucht stürzen. Die Gischt-Tropfen funkeln in der Sonne und bilden einen permanenten Regenbogen. Über nasse Steinstufen steigen wir zum Livingstone-Denkmal am westlichen Ende der Fälle hinab. Wieder ist der Ausblick spektakulär. Zwischen dem westlichen Ufer und der gegenüberliegenden Insel (Cataract-Island) werden die brodelnden Wassermassen bezeichnenderweise „Devil‘s Cataract“ genannt. Schließlich verlassen wir die beeindruckende Szenerie und den Park. Auf der Straße Richtung Stadtzentrum passieren wir das Makasa Sun Hotel, dessen Architektur den berühmten Ruinen von Groß-Simbabwe nachempfunden ist, und betreten das Victoria Falls Hotel, das in einer Reihe mit anderen klassischen britischen Grandhotels wie dem Mena House bei Kairo, dem Raffles in Singapur oder dem Reids in Madeira genannt werden kann. Mahagoni und Messing bestimmen den Stil, King George V. und Queen Mary blicken von einem Bild auf uns herab. Eine Wand wird von der Darstellung der wöchentlichen Flugboot-Verbindung von Southampton nach Johannesburg in den Vierziger Jahren eingenommen, für die Victoria Falls eine wichtige Zwischenlandungs-und Übernachtungsstation darstellte. Wir nehmen im Garten in Korbsesseln Platz. Ekke bestellt einen Kaffee, ich den der Uhrzeit entsprechenden Earl-Grey-Tee. Eine Warzenschwein-Familie streunt ungehindert über den gepflegten Rasen. Wir blicken auf die Brücke, über die wir nachher Zimbabwe wieder verlassen werden und über der gewaltig der Rauch, der donnert, aufsteigt. Ein Schild informiert uns, dass die Entfernung nach Kairo 5165 Meilen und die nach Kapstadt 1647 Meilen beträgt. In Livingstone suchen wir ein Internet-Café auf. Ein 20-minütiger Stromausfall wertet unser Pfeffersteak zu einem Candle light dinner auf. Wie gestern wird das Wasser nach 20 Uhr abgestellt.
Mittwoch, 10.5.2006
Unser Gastgeber bringt uns zum Flughafen. Wir staunen etwas über die Lande- und Parkgebühr von 96 US$ (2 US$ pro Stunde). Wir würden gerne an den Kariba-See fliegen, doch das wird uns nicht genehmigt. Also drehen wir noch einmal drei Vollkreise über die Victoria-Fälle, wenden uns dann nach Norden und halten auf den Kafue-Nationalpark zu. Der ist mit etwa 14000 Quadratkilometern nur wenig kleiner als der Krüger-Nationalpark in Südafrika und für seinen Wildreichtum bekannt. Wir überfliegen die weiten Wasser-und Sumpfflächen, die der Kafue-River bildet, landen auf einer einsamen Natur-Piste im Park und rollen zur Empfangshütte, die abgeschlossen und verwaist ist. Zum Empfang stechen uns ein paar Tsetse-Fliegen. Wir hören Motorengeräusche. Zwei Landrover mit Urlaubern aus Südafrika halten neben unserer Cessna. Sie sind unterwegs zur nächsten Lodge, die weit entfernt und nur über eine schlechte Piste erreichbar sei. Wir entschließen uns, nach Livingstone zurückzufliegen. Dort erledigen wir die Ausreise-Formalitäten und starten nach Botswana. Die Orientierung ist einfach. Wir folgen dem Sambesi flussaufwärts bis zur Einmündung des Chobe-River. An der Fähre über den Sambesi, der die Grenze bildet, stauen sich die LKW kilometerlang. Nach einem Flug von einer knappen halben Stunde landen wir in Kasane und quartieren uns wieder in der Garden Lodge ein. Guido holt uns vom Flughafen ab, und wir genießen noch einmal die Annehmlichkeiten der Lodge. Viele Kleinigkeiten tragen zu dem guten Eindruck bei: die blühenden Bougainvilleen am Eingang, die Blumen auf dem Tisch, das Arrangement der Handtücher, nicht zuletzt die Sauberkeit. Alles hat Stil, und wenn man bei einem kühlen Bier auf der Terrasse sitzt und über den Garten auf den langsam vorbeiziehenden Chobe-River schaut, fühlt man sich in diesem kleinen Paradies zu Hause. Leider ist nicht alles paradiesisch: Wir hören von einem Angestellten der Lodge, der schwer an Malaria erkrankt im Hospital liegt. Wir sind froh, dass wir unsere Malaria-Prophylaxe konsequent durchgeführt haben. Als Mimi das Abendessen aufträgt, schmeckt es uns noch besser, weil sie jeden Gang ansagt wie im Sterne-Restaurant. Mit uns am Tisch sitzen Guido, Barbara, Philipp und seine Frau Gabi, außerdem noch ein Marathon-Läufer aus Jersey, der uns stolz sein heute aufgenommenes Löwen-Video zeigt. Wieder gibt es eine angeregte Unterhaltung. Wir erfahren, dass hier, warum auch immer, die Warzenschweine Walter und die Hippos, die Flusspferde, Margret heißen.
Donnerstag, 11.5.2006
Wir verabschieden uns von unseren Gastgebern. Am Flughafen geben wir den Flugplan von Kasane nach Grootfontein in Namibia auf und lassen uns die Ausreise-Stempel in unsere Pässe drücken. Die Lande- und Parkgebühr beträgt im Gegensatz zu der in Livingstone umgerechnet 5 €. Nach dem Start und einer Ehrenrunde über der Garden Lodge folgen wir dem Sambesi bis Katima Mulilo in Namibia. Dann fliegen wir in FL 65 über die Hochebene am gut ausgebauten Trans-Caprivi Highway entlang, auf dem wir nur vereinzelt Autos sehen. Die Entfernung von Kasane bis Grootfontein über die Landstraße wird mit 921 Kilometern angegeben. Bei Bagani, sechzig Kilometer nördlich von Shakawe, überqueren wir den Okavango. Links von uns zieht sich wie mit dem Lineal gezogen die Grenze zwischen Namibia und Botswana durch die Kalahari, bis sie abrupt im 90°-Winkel nach Süden abknickt. Hier haben wir etwa die Hälfte unseres Dreieinhalb-Stunden-Flugs hinter uns. So langsam kommt uns wieder die versäumte Abmeldung bei Immigrations in Windhoek-Eros vor einer Woche in den Sinn. Was uns da wohl in Grootfontein erwartet? Die Landung auf der dreieinhalb Kilometer langen Bahn (Grootfontein ist der größte Militärflughafen Namibias) ist kein Problem. Wir rollen zum auf unserer Karte eingezeichneten Tower, der, wie wir dann merken, nicht der aktuell in Betrieb befindliche ist. Außer unserer Cessna steht da nur noch eine dreistrahlige Yak 42 D. Wir machen ein paar Fotos. Plötzlich kommt ein Soldat mit Sturmgewehr im Arm und der Miene eines gereizten Stiers auf uns zu. Die russische Maschine stehe unter Arrest, wir dürften hier nicht fotografieren. Rechtzeitig habe ich den belichteten Film aus der Leica genommen und durch einen frischen Film ersetzt. Als er den Film aus meiner Kamera haben will, übergebe ich ihm den bereitwillig. Er lässt sich überzeugen, dass wir den Jet nicht ausspionieren wollen und knurrt, wir sollten schleunigst verschwinden. Wir besteigen z.z. (ziemlich zügig) unseren Vogel. Am Funk erhalten wir die Starterlaubnis nach Tsumeb und sind nach kürzester Zeit wieder in der Luft, um nach einer Viertelstunde in Tsumeb zu landen. Das Städtchen ist die größte Ansiedlung in der Nähe des Etosha-Nationalparks, den wir besuchen wollen. Es lebte von seiner Mine, wo Kupfer, Blei, Zink und Silber abgebaut wurde, zuletzt in einer Tiefe bis zu über 1500 Metern. Daran erinnern noch ein Förderturm und eine Abraumhalde. Die OMEG (Otavi-Minen- und Eisenbahngesellschaft) baute Anfang des 20. Jahrhunderts eine Schmalspurbahn von Swakopmund nach Tsumeb. Wir wenden uns an das örtliche Avis-Büro. Als Leihwagen übernehmen wir wieder einen Toyota Tazz und bekommen als Zugabe die Adresse einer von einer Deutschen betriebenen kleinen Pension in der OMEG-Allee. Die Stadt erinnert mit ihren schachbrettartig angelegten Straßen an eine Kleinstadt im amerikanischen Mittelwesten. Verglichen mit dem sambischen Livingstone fällt uns sofort auf, wie gepflegt und sauber alles ist. Das historische Minen-Hotel am Stadtpark ist der Haupt-Treffpunkt der Einwohner. Hier essen wir in authentischer Atmosphäre zu Abend. Nach einer Suppe gibt es drei verschiedene Wildfilets mit Kalahari-Trüffeln, dazu einen südafrikanischen Nederburg Cabernet Sauvignon.
Freitag, 12.5.2006
Nach einem guten Frühstück mit Omelette und selbstgemachter Marmelade bummeln wir ein wenig durch den Ort. Ohne lebhaften Verkehr wirken die Ampeln etwas unterbeschäftigt. Auf einer Strecke von etwa 400 Metern zählen wir acht Parkwächter. Das bedeutet acht Jobs, also acht Arbeitslose weniger. Wir besuchen das Museum an der Main Street mit einer beeindruckenden Sammlung, die der Initiative einer Farmersfrau zu verdanken ist. Davor steht eine schöne alte Dampflokomotive, die Nr. 9 der Schmalspurbahn von Swakopmund nach Tsumeb. Wie eine Plakette verrät, wurde sie 1904 in der Lokomotivfabrik Arnold Jung in Jungenthal bei Kirchen an der Sieg hergestellt. Eine Abteilung des Museums zeigt die Geschichte des Bergbaus und präsentiert eine ansehnliche Sammlung von Mineralien aus den örtlichen Erzlagern. Eine weitere Abteilung beschäftigt sich mit der Kolonialgeschichte. Besonders gefällt uns aber die ethnologische Ausstellung mit Gegenständen namibischer Völker, der Herero, der Ovambo, der San und der Himba. Die Kirche neben dem Museum stammt aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg und ist natürlich der heiligen Barbara, der Patronin der Bergleute, geweiht. Als Kontrast zu diesen Eindrücken wollen wir nun den für seinen Reichtum an wilden Tieren so berühmten Etosha-Nationalpark aufsuchen. Er ist etwa halb so groß wie die Schweiz. Drei staatliche Camps mit Übernachtungsmöglichkeiten liegen südlich der Etosha-Pfanne, einem riesigen, meist ausgetrockneten Salzsee. Von Tsumeb aus am nächsten liegt Namutoni. Auf einer guten Landstraße legen wir die 120 Kilometer dorthin rasch zurück. Die erlaubte Maximal-Geschwindigkeit beträgt 120 km/h, aber mehrfach werden wir mit ca. 150 km/h überholt. Im strahlend weißen Fort Namutoni, während der deutschen Kolonialzeit errichtet und inzwischen Nationaldenkmal, informiert ein kleines Museum über die blutige Geschichte dieses schönen Gebäudes. Wir fahren noch 90 Kilometer nach Westen zum Camp Halali, wo wir zwei Nächte verbringen wollen. Zwar gibt es auch private Camps außerhalb des Nationalparks. Dort kostet die Übernachtung aber etwa zehn Mal so viel wie in den drei staatlichen Camps, die alle auch über Landebahnen verfügen. Natürlich hätten wir hierher fliegen können. Aber einen Leihwagen hätten wir hier nicht bekommen. Für unsere Pirschfahrten hätten wir uns also einer größeren Gruppe anschließen und zwischen vielen anderen auf der Ladefläche eines Allradwagens Platz nehmen müssen, statt in unserem eigenen Rhythmus den Nationalpark zu durchstreifen. Die Pisten sind mit unserem kleinen Toyota gut zu befahren, Allrad-Antrieb ist nicht erforderlich. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit im Nationalpark beträgt auf den Hauptstrecken 60 km/h, sonst 40 km/h. Aber bei diesem Tempo übersieht man viele der oft gut getarnten wilden Tiere, die sich im hohen Gras oder im Gebüsch aufhalten. Daher rollen wir deutlich langsamer über die Piste und halten immer wieder an, wenn sich interessante Motive für unsere Kameras zeigen. Wir sehen zahlreiche Zebras, Giraffen, Gazellen, Oryx-Antilopen und Streifen-Gnus. Eine Großfamilie von Erdmännchen sorgt für Abwechslung. Große, Heupferd-ähnliche Insekten überqueren schwerfällig die Piste. Auch die Vogelwelt ist zahlreich vertreten. Da wir keinen Führer dabeihaben, der sich in der örtlichen Fauna auskennt, sind wir sehr dankbar für die Informations-Bögen des South African Tourism Board über Vögel und Säugetiere im südlichen Afrika. Anhand der Fotos können wir die meisten der Tiere, die wir zu sehen bekommen, identifizieren. Wir entdecken verschiedene Raubvögel, Aasgeier und Strauße. Riesentrappen und Gackeltracken (Black Korhaan) stolzieren durchs hohe Gras. Rotschnabeltoko und Gelbschnabeltoko (Red / Yellow Billed Hornbill) sind nicht zu verkennen. Auf den Ästen der niedrigen Bäume finden wir Eisvögel (Kingfisher), eine Gabelracke (Lilac-Breasted Roller) mit ihrem grün, blau, lila, braun und weiß leuchtenden Gefieder und einen schwarzen Trauerdrongo. Ein Schabrackenschakal streunt die Piste entlang. Nachdem wir viele spannende Stunden mit der Beobachtung wilder Tiere verbracht haben, kommen wir für zwei Nächte im Camp Halali unter. Es wird so genannt, weil hier die Jagd mit Waffen endgültig zu Ende ist. Wir bedienen uns beim Dinner-Buffet, das uns Thunfischsalat, panierten Fisch, Gambas, Schweine- und Rindfleisch und zum Nachtisch Äpfel, Birnen, Aprikosen und Dosenpfirsiche bietet. Bei Sonnenuntergang hört man für zwanzig Minuten ein lautes Vogelkonzert. Dann ist es Zeit, den Beobachtungsposten am 600 Meter entfernten Wasserloch zu beziehen. Er liegt auf einem drei Meter hohen Felsen, ist mit einem Zaun geschützt und mit bequemen Bänken ausgestattet. Von den Lampen, die die Szenerie erleuchten, fühlen sich die Tiere nicht gestört. Zunächst löscht eine Hyäne ihren Durst. Dann erscheint eine Spitzmaul-Nashorn-Mutter mit ihrem Jungen, um aus dem Pool zu trinken und sich am saftigen Gras der Umgebung gütlich zu tun. Die Tiere sind recht leise, man hört nur das Ausrupfen des Grases und von Zeit zu Zeit ein leises Miauen des Jungen. Dann ertönt aus einiger Entfernung das donnernde Gebrüll eines Löwen, ein Geräusch, das man nie vergisst, wenn man es einmal gehört hat. Einige Hyänen antworten lachend, als würden sie sich über den König der Tiere lustig machen.
Samstag, 13.5.2006
Am nächsten Tag erleben wir die Morgendämmerung wieder am Wasserloch des Camps Halali. Eine Gazelle trinkt ausgiebig. Malerisch spiegelt sie sich im ruhigen Wasser. Der Mond geht unter, die Sonne erscheint um 6.15 Uhr am Horizont. Wir sehen nur ein paar Vögel, nichts Außergewöhnliches. Also widmen wir uns unserem Frühstücks-Omelett. Um 8.45 Uhr brechen wir zu unserer Ausfahrt zum etwa 80 Kilometer westlich gelegenen Okaukuejo-Camp auf. Auch heute können wir zahlreiche Wildtiere beobachten. Viele haben wir gestern schon gesehen, z.B. die Springböcke, Steppen-Zebras, Giraffen und Gnus. Auch eine Gackeltrappe kennen wir schon. Aber einige sind neu für uns. Auf einem steinernen Wegweiser sitzt eine Senegal-Taube (Laughing Dove). Zwei Schlangen ziehen sich rasch ins Unterholz zurück, bevor wir sie „erkennungsdienstlich behandeln“ können. Und dann entdecken wir den König der Tiere, einen männlichen Löwen, der sich in der Mittagshitze in den Schatten eines niedrigen Baumes zurückgezogen hat und sich von der Umgebung kaum unterscheidet. Wir halten an und beobachten ihn aus einem Abstand von fünf bis zehn Metern, geschützt vom dünnen Blech und Glas unseres kleinen Toyota. Von Zeit zu Zeit hebt er den dicken Kopf mit der eindrucksvollen Mähne und schaut kurz um sich, nur um gleich wieder weiter zu dösen. Uns beachtet er gar nicht. Seine Gefährtin streift etwa hundert Meter entfernt durch das halbhohe Steppengras. Und dann hält etwa 400 Meter weiter ein anderer Wagen an. Die Insassen steigen entgegen allen Sicherheitsempfehlungen und Verboten aus und besehen sich die Umgebung. Das Raubtier geht ruhig und zielstrebig auf sie zu, ohne dass die Touristen es bemerken. Für Warnrufe ist die Entfernung zu groß. Als die Löwin noch 100 Meter von ihrer Beute entfernt ist, steigen die ahnungslosen Urlauber wieder in ihr Auto und fahren weiter. Von der Lebensgefahr, in der sie schwebten, werden sie nie erfahren, und die Löwin muss sich nach einer anderen Beute umsehen. Wir suchen mehrere Wasserlöcher auf und beobachten zahlreiche weitere Wildtiere. Besonders anrührend empfinden wir eine große Zebra-Herde mit vielen Fohlen, davon einige noch im Säuglingsalter. Wie liebevoll und geduldig die Mütter mit ihren Babies umgehen, ist auch im Tierreich nicht selbstverständlich. Bei Sonnenuntergang treffen wir im Camp Halali ein und beziehen wieder unseren gestrigen Beobachtungs-Posten am Wasserloch. Ob wir heute noch einmal solch ein Glück haben wie gestern? Im Besucher-Buch wurden die letzten Nashorn-Sichtungen hier vor mehreren Wochen vermerkt, - außer gestern natürlich. Die Vögel geben wieder ihr Abendkonzert. Plötzlich erscheint tatsächlich wieder ein Spitzmaul-Nashorn zum Trinken und Äsen. Und dann sind es schließlich drei erwachsene und zwei kleine Rhinos, die uns ihr Familienleben präsentieren. Ein Säugling legt sich auf die Seite, um trotz seiner Hörnchen an die Zitzen seiner Mama zu kommen. Zwei Erwachsene stehen sich Horn an Horn gegenüber, anscheinend muss ein Konflikt oder Rangordnungs-Kampf ausgetragen werden. Dann kommt ein Junges und stupst eines der erwachsenen Tiere an, als wolle es sagen: „Komm doch, Mama! Es macht keinen Sinn, sich zu streiten.“
Sonntag, 14.5.2006
Der Etosha-Nationalpark entlässt uns mit einem Feuerwerk an Impressionen, so als wolle er uns noch einmal zeigen: „Schaut her, was ich Euch alles bieten kann!“ Große Herden von Springböcken, Gnus, Kudus, Giraffen und Zebras und zahlreiche Vögel sind zu unserem Abschied angetreten. Der Tsumeb-Airport ist zunächst verwaist. Wir warten den Durchzug eines Gewitters mit Böen-Walze und großen Tropfen ab. Dann starten wir zu einem wunderschönen Flug über den Ost- und Nordrand der strahlend hellen Etosha-Pfanne, die stellenweise blau, grün und rot schillernd zu uns herauf leuchtet. Sie ist nach einer ergiebigen Regenzeit gut mit Wasser gefüllt. Unser Ziel ist Opuwo, der Hauptort des Kaoko-Velds. Wir wollen die Himba besuchen, ein von den Herero abstammendes Volk von etwa 7000 Menschen, die mit Ihren Rinderherden in der wenig erschlossenen weiteren Umgebung als Halbnomaden leben. Die lange Schotterpiste in Opuwo weist wie viele unimproved runways am Beginn und am Ende etwa zehn bis zwanzig Meter befestigte Strecke auf. Außerdem ist der Abstellplatz auf etwa 10 x 10 Meter gepflastert. Bei höheren Drehzahlen beim Magnet-Check und beim Anlassen sowie bei Vollgas beim Abflug sollen dadurch Propeller, Vorderseite der Tragflächen und Rumpf-Unterseite nicht allzu sehr von hochgeschleuderten Steinen in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Radverkleidungen sind mit Kuh-Dung bedeckt. Anscheinend wird die Rinderherde, an der wir bei der Landung vorbeigerollt sind, nicht immer vom Runway ferngehalten. Wir tanken voll, und die Tankhelfer bringen uns zum erst vor einem Jahr eröffneten schönen Hotel am Stadtrand. Von der Terrasse am Pool hat man einen weiten Blick über das Land. Das Haus ist reetgedeckt. Restaurant und Bar sind ausgesprochen stilvoll eingerichtet, das Personal ist freundlich. Nach uns trifft noch ein Bus mit 14 deutschen Touristen ein. Auch sie wollen morgen ein Himba-Dorf besuchen. Wir vereinbaren mit dem stellvertretenden Manager des Hotels, dass er uns in ein anders Dorf bringt. Man bemüht sich sowieso, die Touristenbesuche in der Umgebung zu verteilen, damit die einzelnen Dörfer nicht von Fremden überschwemmt werden. Der Hauptgang des Abendessens, Kudu, schmeckt ausgezeichnet.
Montag, 15.5.2006
Peter, der schwarze stellvertretende Manager, wartet um 8 Uhr mit einem Allrad-Toyota auf uns. Zwanzig Minuten geht es über eine Dust Road, dann noch einmal zehn Minuten über einen schmalen Pfad und durch Trockenbäche zu einem typischen Himba-Dorf. Unterwegs erzählt Peter etwas vom Zwiespalt, in dem das kleine Volk steckt: Die geringe Entfernung von Opuwo bietet Vorteile wie Zugang zu Schulausbildung und besserer medizinischer Versorgung. Andererseits sind die Bemühungen, die eigene traditionelle Lebensweise zu bewahren, durch die Kontakte zu den Ausläufern des „modernen“ Namibia stark gefährdet. Zwei große Bedrohungen stellen Aids und Alkoholismus dar. Alkoholisierte Himba gehören in Opuwo leider schon zum Straßenbild. Und die erheblich untergewichtigen Angehörigen dieses Volkes, die uns dort aufgefallen sind, haben wir nicht als Opfer der Unterernährung, sondern der „slim disease“ eingeschätzt. Wir sind angekommen und schauen uns um. Hinter einer runden Umzäunung mit einem Durchmesser von etwa hundert Metern aus über mannshoch ragenden, durch Querteile miteinander verbundenen Ästen liegen die reetgedeckten Rundhütten, aus verflochtenen Ästen aufgebaut, innen und außen oft mit geglättetem Lehm verputzt. Kleine Vorratskammern mit Mais sind auf Stöcken angebracht. Mitten im Dorf ist ein mit Ästen eingegrenzter Rinderpferch abgeteilt. Etwas abseits des Dorfs, wohl wegen der Geruchsbelästigung, liegt von einer Dornenhecke umgeben der Ziegen- und Schafspferch. Wir sehen den hinteren Teil eines alten Pickup, der von vier Eseln gezogen wird und mit dem man gerade von einer einen Kilometer entfernten Wasserstelle das lebensnotwendige Nass geholt hat. Versiegt die Wasserstelle oder ist die Umgebung abgegrast, wird das Dorf verlassen und die Großfamilie zieht weiter. Vielleicht wird ein verlassenes Dorf, von denen wir aus der Luft einige gesehen haben, später auch wieder bezogen. Peter geht zum Dorfeingang und bittet für uns den Dorfältesten um Einlass, der uns freundlich gewährt wird. Auch die Benutzung unserer Foto- und Video- Kameras wird uns gestattet. Wir übergeben die kleinen Geschenke, die Peter für uns besorgt hat: etwas Maismehl, Zucker und Tabak. Wir halten uns streng an die wenigen Tabus, die man uns mitteilt. Vor allem vermeiden wir es, zwischen dem heiligen Feuer und der Hütte des Dorfchefs durchzugehen. Die Himba sind freundlich, lassen sich von uns aber nicht von ihrer Alltagsarbeit abhalten und beachten uns kaum. Wenn wir Fragen haben, dient Peter als Dolmetscher. Die Frauen melken die Kühe. Die Milch kommt in große Kalebassen, und was übrigbleibt, können sich die Kälber bei ihrer Mutter abholen. Einige Frauen buttern, indem sie große, an Lederriemen hängende geschlossene Kalebassen voll Milch stundenlang monoton vor und zurück stoßen. Oft haben sie dabei ein Kleinkind auf dem Schoß, dem sie etwas erzählen oder vorsingen. Eine Mutter rasiert bei ihrem kleinen Sohn sorgfältig einen Teil des Kopfes kahl, während ihre kleine Tochter butternd danebensitzt. Alle Frauen sind traditionell mit einem ledernen Schurz bekleidet oder haben ein Tuch um die Hüften geschlungen. Gesicht, Körper, Schurz und Schmuck reiben sie täglich mit einer Creme aus Butter, pulverisiertem, durch Eisengehalt rötlichen Stein und Kräutern ein, was der Haut einen schönen, sattbraun glänzenden Farbton verleiht. Auf die Pflege ihrer Haare verwenden die Frauen viel Zeit. Sie flechten sie zu zahlreichen Zöpfen, die bis kurz vor die Spitzen ebenfalls mit einer Fettpaste behandelt werden. Verheiratete Frauen tragen zusätzlich einen Teil des Haares zu einem Krönchen hochgebunden. Auf Schmuck legt man bei den Himba großen Wert. Eine Halskette enthält oft eine große, kostbare Muschel, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Kunstvoll werden Eisen, Messing und Kupfer in Halsschmuck und Gürtel eingearbeitet. Auch metallene Arm- und Beinringe gehören zur Ausstattung. Die männlichen Himba erscheinen übrigens deutlich dunkler: in ihre Körper-Creme werden statt eines rötlichen Steinpulvers schwarze Kräuter gemischt. Jungen und Mädchen kann man an ihren Zöpfen unterscheiden: Die Jungen tragen einen Zopf nach hinten und die Mädchen zwei nach vorn. Die Eltern suchen Partner für ihre Kinder schon Im Kleinkindalter aus. Mit etwa 18 Jahren ziehen beide dann zusammen. Eine junge Frau lädt uns ins Innere ihrer Hütte ein. Mit Hilfe unseres Übersetzers Peter erfahren wir vom Sinn und Zweck der verschiedenen Ausstattungsgegenstände. In Tongefäßen und Kalebassen werden Milch und Milchprodukte aufbewahrt. Lederne Bekleidungsstücke hängen an der Wand. Ein Kuhfell dient als Bett. Einige kleine Schalen enthalten Kräuter und getrocknete Blumen. Die Besitzerin der Hütte streut sie in eine kleine Feuerstelle. Sie hockt sich darüber und fängt den Rauch, der sich schnell entwickelt, mit einer Decke auf. Mit diesem Kräuter-Rauchbad parfümiert sich die Himba-Lady und räuchert lästige Kleinstlebewesen aus. Sie zeigt uns eine kunstfertig aus Holz geschnitzte Kopfstütze. Diese schont vor allem bei Männern im Schlaf die Frisur. Wir verlassen die Hütte und sehen uns weiter um. Heute ist ein ganz besonderer Tag im Himba-Jahr, nämlich der, an dem die Jungstiere kastriert werden. Der folgende Ablauf wiederholt sich einige Male: Ein paar halbwüchsige Jungen suchen sich einen Jungstier heraus, packen ihn und versuchen, ihn von den Beinen zu bringen. Das schaffen sie nicht, und erst ein etwas Älterer kann ihn an den Hörnern niederringen und auf die Seite werfen. Die Hinterläufe werden mit einem Strick zusammengebunden. Dann macht sich der Hauptakteur ans Werk. Während die anderen das Tier festhalten, öffnet er mit einem scharfen Messer rasch und geschickt den Hodensack, entfernt in wenigen Sekunden Hoden und Samenstränge und verschließt die Wunde, nachdem er ein paar Heilkräuter hineingegeben hat. Das vom Strick befreite Tier hat noch gar nicht so richtig mitbekommen, was in den letzten zwei Minuten passiert ist, rappelt sich hoch und trottet zu seiner Mutter, die am Rande der Szenerie gewartet hat. Die Halbwüchsigen ziehen mit ihrer Beute ab, die später am Tag noch als Delikatesse dienen wird. Jetzt, nach der Regenzeit, scheint es den Dorfbewohnern nicht schlecht zu gehen. Wir hören, dass dem größten Himba-Häuptling 2000 Rinder gehören. Bei einem Verkaufspreis von 5000 N$ pro Stück darf man ihn wohl nicht zu den Ärmsten zählen. Und auch unser Dorfoberhaupt hier wird wohl kaum mit Peter, dem stellvertretenden Hotelmanager, tauschen wollen. Die Damen des Dorfs breiten ihre Schätze vor uns aus. Wir kaufen ein oder zwei kunsthandwerklich interessante Souvenirs und werden freundlich verabschiedet. Peter bringt uns zu unserer Cessna. Nachdem wir ein paar Krähen von der Startbahn gescheucht haben, starten wir nach Epupa Falls am Kunene River. Dieser über 1000 Kilometer lange Fluss bildet die Grenze zwischen Namibia und Angola. Nach einem schönen Flug bei guter Sicht über die bis 7000 Fuß hohen Berge umrunden wir zunächst die Omarunga Lodge und die Wasserfälle, um uns anzukündigen. Dann landen wir auf der tausend Meter langen Sandbahn mit einem Bachbett im östlichen Drittel. Zwei Männer warten in ihrem Landcruiser Pickup schon auf uns. Die sieben Kilometer Piste rütteln uns mehr durch als der ganze Flug. Im Camp hat man zum Schlafen mannshohe, mit einem mückendichten Reißverschluss und Moskito-sicheren Fenstern versehene Zelte auf festen Fundamenten errichtet. Auch Dusche und Toilette sind hinter Schilfwänden fest installiert. Hier lässt es sich komfortabel leben, zumal die Temperatur mit 29° und die Luftfeuchtigkeit mit 30 % angenehm sind. Unser luftiges Zelt steht direkt am Fluss. Wegen der Krokodile solle man aber hier besser nicht baden. An der Bar finden wir den folgenden guten Ratschlag: „Warning! There is a dangerous virus going around. It is called WORK!!! If you receive WORK from your colleagues, your boss or anyone else, via e-mail or any other means, DO NOT TOUCH IT! This virus wipes out your private life completely. If you should come into contact with WORK, put on your jacket, take two good friends and go to the nearest pub. Buy the antidote known as BEER. Take the antidote repeatedly, until WORK has been completely eliminated from your system. Forward this warning immediately to 5 friends. Should you realize that you do not have 5 friends, this means that you are already infected and that WORK already controls your life. REMEMBER THIS VIRUS IS DEADLY. Omarunga camp will vaccinate you against this virus. We are fully stocked with fresh antidote.” Wir folgen der Warnung und impfen uns an der Bar ausreichend gegen das gefährliche Virus. Laut GPS sind wir 4016 Seemeilen entsprechend 7437 Kilometer vom Frankfurter Flughafen entfernt und erfahren erst hier von den unbekannten Gefahren, die uns nicht nur in der Fremde auflauern. Der Manager ist 27 Jahre alt und kommt aus Swakopmund. Seinen Eltern gehört das vor zehn Jahren gebaute Camp seit vier Jahren. Von Swakopmund bis hierher benötigt er mit dem Allrad-Wagen mindestens 16 Stunden. Zur Zeit sind wir die einzigen Gäste. Wir spazieren die wenigen Meter zu den Fällen. Sie sind fünfhundert Meter breit und sechzig Meter tief. Zahlreiche Kinder tollen im rasch strömenden Wasser herum. Am Ufer und auf einigen Inseln stehen beeindruckende Baobabs. Gegenüber liegt Angola. Auf dem Rückweg zum Camp kaufe ich eine Puppe, die eine Himba-Lady mit allen Accessoires darstellt, und eins der scharfen Himba-Messer. Das Abendessen schmeckt uns sehr gut unter den Makalani-Palmen, aus deren Nüssen man im ganzen Land schöne kleine Kunstwerke, z.B. Schlüsselanhänger, schnitzt. Vor unserem Zelt schauen wir auf das vorbeiziehende Wasser des Kunene und lauschen dem Donnern der Wasserfälle.
Dienstag, 16.5.2006
Wir werden von Vogelgezwitscher geweckt, als die Sonne über dem rasch vorbeiströmenden Kunene aufgeht. Das Hintergrund-Geräusch des tosenden Wasserfalls nehmen wir fast nicht mehr wahr. Wir bedauern, nach dem Frühstück dieses schöne Fleckchen Erde wieder verlassen zu müssen. Problemlos starten wir auf der Sandpiste, schauen uns den Kunene-Wasserfall und unser Camp noch einmal aus der Luft an und überfliegen die kahle Landschaft des Kaokovelds. Unter uns bemerken wir mehrere verlassene Himba-Dörfer. Sehr gut sind aus der Luft die von einer Hecke eingefriedeten menschenleeren Hütten, der zentrale Rinderpferch und der abseits gelegene Ziegen- und Schafsplatz zu überblicken. Die Gegend ähnelt zunehmend dem Südwesten der USA, stellenweise werden wir ans Monument Valley erinnert. Nur ist die Wüste hier einsamer, je mehr wir uns der Küste nähern. Bezeichnenderweise heißt sie Skeleton-Coast, was sich nicht nur auf die zahlreichen Schiffswracks, sondern wohl auch auf die Überreste ihrer Besatzungen bezieht. Der kalte Benguela-Strom sorgt oft, so auch heute, für dichten Nebel über dem Meer, ähnlich wie die kalte Strömung an der kalifornischen Küste oder der Humboldt-Strom, der an der Westküste Südamerikas in Chile für die Atacama-Wüste verantwortlich ist. Auf unserem Kurs nach Westen zum Meer haben wir Rückenwind, und unser GPS zeigt 140 Knoten an. Dann drehen wir auf Südost-Kurs und folgen der Küste. Der starke Gegenwind bremst unsere Fahrt bis auf 84 Knoten. Wir sinken bis auf zehn Meter über der Wasseroberfläche. Tiefer gehen wir nicht, denn wir sehen zwei Orcas, und mit solchen Meeressäugern wollen wir lieber nicht kollidieren. Außer den Resten gestrandeter Schiffe können wir auf dem Ufersand die Unterkiefer von Walen und ausgedehnte Robben-Kolonien bestaunen. Weiter südlich, kurz vor unserem Etappenziel, entdecken wir auch Salinen und eine Uran-Mine. Nach einem Flug von vier Stunden –für eine weitere Stunde hätte unser Sprit noch gereicht - landen wir in Swakopmund, Namibias beliebtestem Ferienort, und tanken 250 Liter Flugbenzin. Eine Stunde hat der Flug von Opuwo nach Epupa Falls gedauert. Wir haben also etwa 50 Liter pro Flugstunde verbraucht. Am Flugplatz treffen wir einen Schweizer, der „Bushbird Adventure Flights“ betreibt und uns in seinem VW-Bus ins Stadtzentrum mitnimmt. Zum Übernachten suchen wir uns das Hansa-Hotel aus (Werbespruch: “In the oldest desert of the world you find Namibia’s best hotel.“) und bekommen 35 % Pilotenrabatt. Nach einer Dusche spazieren wir durch den Ort mit seinen zahlreichen Jugendstil-Häusern aus der deutschen Kolonialzeit. Den Sonnenuntergang erleben wir am schönen Sandstrand. Der einzige Wermutstropfen für badehungrige Urlauber ist die Wassertemperatur, sie beträgt zur Zeit gerade mal 15 Grad Celsius. In einem Restaurant unterhalb des rot-weiß gestreiften Leuchtturms lassen wir uns eine hervorragende Fischplatte für 90 N$ und dazu ein Glas Stein, den lokalen Weißwein, für 9 N$ munden. Bei einem Absacker in der Bar unseres Hotels beschließen wir den Tag.
Mittwoch, 17.5.2006
Nach einem guten Frühstück spazieren wir noch einmal durch die Stadt. Am Bahnhof hat man einen roten Teppich ausgerollt für die Passagiere des Nostalgie-Luxus-Zugs Pride of Africa, der auf seinem sechstägigen Weg von Kapstadt nach Tsumeb und weiter nach Pretoria heute hier Station macht. Der VW-Bus unseres Hotels (obwohl fast neu, handelt es sich noch um einen T3 mit Heckmotor, der in Südafrika wesentlich länger produziert wird als in Deutschland) bringt uns zum Flugplatz. Wir starten nach Lüderitz. Zunächst geht es auf Südkurs, wobei wir die Kontrollzone von Walvis Bay in 500 Fuß unterfliegen. Bald liegt die Namib-Wüste unter uns, die älteste Wüste unserer Erde, die dem Land seinen Namen gegeben hat. Rechts schauen wir auf den Südatlantik, links auf die parallel zur Küste verlaufende Dünenkette, und unter uns haben wir den Brandungssaum und zahlreiche Robben oder Seelöwen und Wasservögel, heute allerdings keine Orcas. Von Zeit zu Zeit bemerken wir eines der Schiffswracks, von denen einige inzwischen mehrere hundert Meter vom Wasser entfernt liegen. Wir verlassen die Küste und drehen auf Ostkurs. Das Dünenmeer erscheint unendlich. Die nach Norden gerichtete Öffnung der Dünensicheln deutet auf den hier fast immer herrschenden Südwind hin. Weiter östlich verlaufen langgestreckte Dünenketten in Nord-Süd-Richtung. Der ergiebige Regen in den letzten Wochen hat auf den ebenen Lehmbodensenken zwischen den Dünen etwas Grün und stellenweise sogar eine Spur des hier so seltenen Wassers hinterlassen. Wir sehen Oryx-Antilopen und einen Strauß. Dann bemerken wir erste Fahrspuren und schließlich die nach Sossusvlei führende Teerstraße und eine Lodge. Am Funk hören wir drei andere Piloten, die hier mit ihren sechssitzigen Cessna 210 Centurion ihren Passagieren auf Rundflügen die über dreihundert Meter hohen Dünen, die höchsten der Welt, zeigen. Der Anblick der von der sinkenden Sonne beleuchteten Sandberge ist aber auch wirklich beeindruckend. Uns fällt auf, dass die Uhr schon 15.50 h anzeigt. Wir müssen uns sputen, um den noch 130 NM entfernten Flugplatz von Lüderitz zu erreichen, bevor er um 17 Uhr geschlossen wird. Heute haben wir keinen Gegenwind, unsere Cessna Skylane bringt uns mit 130 Knoten zu unserem Ziel. Um 16.50 h können wir uns im langen Endanflug auf die Landebahn 22 melden, um 16.53 h sind wir am Boden. Allerdings wird unsere Maschine erst nach 17 h betankt, was uns 100 N$ extra kostet. Nach uns ist noch ein Einheimischer mit seinem Sohn gelandet. Nachdem er seinen Flieger in einem Schuppen abgestellt hat, nimmt er uns in seinem Kombi mit in die zehn Kilometer entfernte Stadt und setzt uns vor dem Kratz-Platz ab, einem Gästehaus mit uriger Kneipe, benannt nach seinem Besitzer. Hier trifft man die interessantesten Leute. Einen kalifornischen Piloten auf Weltumrundung haben wir um einen Tag verpasst. Die beiden knapp 70-jährigen Besitzer von zwei BMW GS mit Münchner Kennzeichen, die uns vor der Tür auffielen, haben die Motorräder zum Preis von 2500 € (hin und zurück) für eine dreimonatige Tour durch das südliche Afrika nach Johannesburg fliegen lassen. Ganz zufrieden sind sie nicht: Der Schwerpunkt ihrer Maschinen sei zu hoch, und für Sandpisten seien sie zu schwer. Einer von ihnen hat früher bei der Bundesluftwaffe Piloten auf der Lockheed T 33 („T-Bird“), dem ersten Jet-Trainer der Bundeswehr, ausgebildet und gibt uns den ironischen Rat: „Seid nur ja vorsichtig! Fliegt nicht zu hoch und nicht zu schnell!“ Wir gönnen uns in dem gemütlichen Raum mit offenem Kamin zum Abendessen die großen Garnelen, die in Lüderitz besonders gut sein sollen. Die Glocke über der urigen Bar wird mehrfach geläutet. Erst spät kommen wir in die Federn.
Donnerstag, 18.5.2006
Es ist kalt, vom bedeckten Himmel tröpfelt der Nieselregen, ein Tag zum Ausruhen und Entspannen ist angesagt. Wir lassen uns durch den Ort mit vielen im wilhelminischen und Jugendstil gebauten Häusern und einer Kirche aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg treiben. Die AVIS-Niederlassung, die im ehemaligen Kraftwerk untergekommen ist, kann uns kein Auto zur Verfügung stellen. Kolmanskop oder Kolmannskuppe, die ehemalige Diamanten- und jetzige Geisterstadt, die 15 Kilometer östlich von Lüderitz nicht weit vom Flugplatz entfernt und schon im Diamanten-Sperrgebiet liegt, werden wir uns also morgen beim Abflug aus der Luft ansehen. Wir bereiten unseren morgigen Flug nach Ai Ais Hot Springs vor und begnügen uns mit Gulasch zum Abendessen.
Freitag, 19.5.2006
Lüderitz liegt im Nebel. Nach dem Frühstück rufen wir das Hotel in Ai Ais an und erkundigen uns nach dem Wetter. Wir hören, auch dort sei es bedeckt. Der Wirt des „Kratzplatz“ fährt uns zum Flughafen. In der Ferne können wir Kolmannskuppe sehen. 300 Fuß über Grund ist der Himmel zu 7 ½ Achteln bedeckt. Eine Turboprop-Linienmaschine landet auf der 22. Der Wind kommt mit 13 bis 14 Knoten aus Nord. Der zuständige Feuerwehrmann sichert uns zu, uns bei stärkeren Böen am Funk zu informieren. Im Norden zeigt sich ein Loch in der Wolkendecke, das wir nutzen wollen. Wir starten auf der 04 bei nicht zu viel Querwind, steigen durch das Loch über die Wolken, drehen 5 NM nördlich des Platzes mit einer Linkskurve auf Kurs 140 Grad, überfliegen noch einmal den Platz und steigen weiter bis auf FL 115. Im Süden reichen einige Wolken bis FL 120, im Norden ist die Bewölkung aufgelockert. Die Wolken-Obergrenze sinkt ab, aber bis 30 NM vor Ai-Ais bleiben wir on Top in FL 95. Dann können wir bei klarer Luft und Sicht über 20 NM unter die Wolken sinken und in 4500 Fuß dem Fish River nach Süden folgen, der die nach dem Grand Canyon zweitgrößte Schlucht der Welt in die Felsen gegraben hat. Teilweise liegt sie in der Sonne und bietet uns spektakuläre Bilder. Bei einem Regengebiet querab liegt ein Regenbogen unter uns. Wir genießen den Ausblick über die grandiose Canyon-Landschaft und sehen unter uns die Pisten über die Hochebene, von denen Wege zu Aussichtspunkten am Canyon-Rand führen. Der Flugplatz von Ai Ais liegt 2,4 NM nordwestlich der offiziell angegebenen Koordinaten, aber die beiden gekreuzten Natur-Landebahnen 01/19 und 07/25 sind nicht zu übersehen. Der zerfetzte Windsack empfiehlt für die Landung die 25. Nach einem höheren Überflug schauen wir uns die Bahn mit Klappenstellung 2 noch zweimal aus der Nähe ganz genau an. Der ungewöhnliche Regen in dieser sonst so trockenen Gegend hat für einige querverlaufende Wasserrinnen gesorgt. Aber an der ersten müsste man gut vorbeikommen, und bis zur zweiten müsste man den Flieger bis auf Schrittgeschwindigkeit verlangsamt haben. Wir fliegen zur Lodge am Fish River in 8 NM Entfernung, zu der eine Teerstraße führt. Zusätzlich zu unserer telefonischen Anmeldung heute morgen drehen wir darüber zwei Vollkreise und schauen uns schon einmal das Hauptgebäude, die Gäste-Bungalows, die beiden Tennisplätze und den türkisfarbenen kreisrunden Pool von oben an. Als wir wieder über dem Airfield sind, wartet unten neben der dachlosen Hütte am Windsack schon ein VW-Bus auf uns. Im Gegenanflug zur 25 kontrolliere ich noch einmal die Windrichtung. Auf Durchstarten vorbereitet fliege ich mit Schleppgas an und setze kurz hinter dem Zaun, der den Platz begrenzt, am Bahnanfang mit 60 Knoten sanft auf. Am ersten Graben geht es wie erhofft glatt vorbei, dann kann ich nach 200 Metern mit langsamer Taxigeschwindigkeit im Slalom um Rinnen und Büsche zum wartenden VW-Bus rollen. Wir vertäuen die Cessna, machen ein paar Aufnahmen von den doch abenteuerlichen Landebahnen und klettern mit unserem Gepäck bei dem Regen, der jetzt einsetzt, in den Bus. Später erzählt uns der Manager der Lodge, den wir auf seinen Flugplatz ansprechen, er sei jetzt zwei Jahre in Ai Ais , und in dieser Zeit sei hier noch niemand gelandet. Bei unserer telefonischen Anmeldung heute morgen hatte er uns das nicht erzählt …. Vor dem Abflug werden wir uns die Bahn noch einmal genau ansehen, größere Pflanzenstauden ausreißen und die tiefsten Rinnen auffüllen. Wir bekommen einen Bungalow mit zwei Zimmern und Küche. Die Eintrittsgebühr für den Nationalpark beträgt wie in den anderen Parks, Namib-Naukluft, Etoscha, Skeleton Coast usw. für Namibier 30 N$ und für Ausländer 80 N$. Im Regen steigen wir in den etwa 39 Grad warmen Pool, der von einer heißen Quelle gespeist wird. Das Hallenbad, gebaut im rumänisch-bulgarischen Stil der 70er Jahre, lockt uns nicht besonders.
Samstag, 20.5.2006
Um 6.30 genießen wir noch einmal ein Bad im warmen Pool. Das Braun der Canyon-Wände ist nach dem Regen von Pflanzengrün überzogen. Zum Frühstück gibt es Omelette und kleine Steaks. Um 9 Uhr kommt unser VW-Bus mit ein paar kräftigen Jungs und Schaufeln. Zwei Mädchen vom Service schließen sich an. Der Abflug unserer V5-FIS ist sicher das größte Ereignis während ihrer Wochenend-Freizeit. Wir orientieren uns an den Resten des Windsacks. Auch heute ist Runway in use die 25. Wir gehen die gesamten 800 Meter der Bahn ab und schauen uns die Abstände zwischen den tieferen Rinnen an. Die größeren Stauden reißen wir aus. Einige gefährlichere Rinnen werden mit der Schaufel eingeebnet, wenigstens auf einer Seite der Piste. Wir legen fest, welche Rinne wir auf der rechten und welche wir auf der linken Bahnseite angehen wollen. Beim Startlauf müssen wir in leichtem Slalom von der rechten Bahnseite auf die linke ziehen und nach der ersten Rinne wieder nach rechts. Wir säubern die Parkposition von Steinen, um schon hier die Motorchecks mit Prüfung der Magnete durchzuführen. Heute sitzt Ekke auf dem linken Sitz des Pilot in Command und hat die Aufgabe, unseren Vogel unbeschadet in die Luft zu bringen. Vorsichtig rollen wir mit Backtrack auf der 25 Richtung Startpunkt. Als wir am Anfang der Bahn zum Wenden etwas nach rechts ausholen, ist es im Bruchteil einer Sekunde passiert: Ein Teil des Bahnrandes, der kaum anders aussieht als die übrige Bahn, ist weich und tief, und unser Bugrad hängt fest. Sofort schalten wir den Motor ab. Allein mit Muskelkraft schaffen wir es nicht, die auch ohne volle Tanks nicht ganz leichte Skylane herauszuziehen. Also winken wir unsere Helfer mit dem VW-Bus heran und binden das Heck der Cessna an die Anhängerkupplung. Das vorsichtige Herausziehen übernehme ich lieber selbst, bevor ein übermotivierter Helfer mit einem Ruck das Heck des Fliegers abreißt. Wir drehen die Maschine mit der Hand in die Startposition und winken den freundlichen Helfern noch einmal zu. Ecke schiebt den Gashebel auf Vollgas und gibt die Bremsen frei, als der Motor die Start-Drehzahl erreicht hat. Ohne Klappen rollen wir an und setzen Klappenstufe 2, als der Fahrtmesser 40 mph anzeigt. Wie geplant rollt Ecke ohne Probleme an der ersten Rinne vorbei, vor der zweiten ist das Fahrwerk in der Luft. Im Bodeneffekt beschleunigen wir und können dann in den Steigflug übergehen. Zum Abschied umrunden wir diesen interessanten Platz noch einmal für ein paar Fotos und verabschieden uns von unseren Helfern durch Wackeln mit den Tragflächen. Über der Lodge, die wir ebenfalls aus der Luft fotografieren wollen, drehen wir noch einen Vollkreis, Dann können wir entspannt den „scenic flight“ über den Fish River Canyon genießen. Zwischen Regenschauern und Wolkenbrüchen sind die Abstände groß genug, dass wir in einer Höhe von 4000 Fuß die herrliche, immer wieder auch von der Sonne beschienene Landschaft bewundern können und nicht über die Wolken steigen müssen. Über Keetmanshoop und Mariental schiebt uns der Rückenwind mit 150 Knoten nach Bitterwasser, dem Paradies für rekordsüchtige Segelflieger, die hier im Sommer, also unserem Winter, 1000-Kilometer-Flüge sammeln. Jetzt ist der Platz verwaist. Unser Flugzeug ist das einzige hier. Die freundliche Verwalterin teilt uns am Funk mit, hier habe es nur wenige Millimeter geregnet. Im Tiefflug verjagen wir einige Schafe von der Gravel-Piste, landen dann aber doch problemlos auf der im Durchmesser 2,8 Kilometer großen Salzpfanne. An deren Rand liegt die schöne Lodge, zu der wir durch eine Palmenallee rollen. Die Anlage ist ein kleines Paradies mitten in einer kargen Landschaft. Wir parken am Hauptgebäude, nur wenige Schritte von den Gästehütten entfernt. Die Verwalterin begrüßt uns freundlich und bringt uns in einem luxuriösen reetgedeckten Bungalow unter. Die Gärten mit Palmen, Kakteen und Blumen sind gepflegt, die Sandwege ordentlich mit hellen Steinen davon abgegrenzt. Wir reinigen unsere Cessna, die wir morgen in Windhoek wieder zurückgeben müssen, vom Staub der letzten Tage. Vor dem Restaurant sitzen wir bei Kaffee und Kuchen ein Stündchen in der Sonne, die spektakulär um 17.15 Uhr untergeht. Ein Bus mit einer Reisegruppe von 22 Schwarzwäldern und Schweizern trifft ein. Also wird das leckere Abendessen um 19 Uhr auf den mit Servietten und Kerzen schön gedeckten Tischen vor dem Feuer im offenen Kamin nicht uns allein serviert. Es gibt Tomatensuppe, Gulasch und Kudu-Steak. Vor dem Nachtisch unterhalten uns die Angestellten der Lodge, alle vom Volk der Nama, mit einheimischen Liedern und Tänzen. Mit ihren schönen Stimmen, ihrem Gefühl für Rhythmus und der natürlichen Anmut ihrer Bewegungen könnten die Gärtner und Küchenmädchen auf mancher europäischen Bühne auftreten, Als zum Schluss die Sängerinnen und Sänger vielstimmig mit der Hand auf dem Herzen die Nationalhymne anstimmen, sind nicht nur wir begeistert und gerührt. Nach einem letzten Glas Rotwein gehen wir an unserer V5-FIS vorbei, der ihr Platz unter den angestrahlten Palmen zu gefallen scheint, zu unserem Bungalow.
Sonntag, 21.5.2006
Um eine ausreichende Reserve für unseren letzten Flug von 90 NM nach Windhoek zu haben, füllen wir aus einem 200-Liter-Fass über Kanister je 30 Liter in die Flächentanks unseres Hochdeckers. Ich fliege solo noch eine Foto-Runde mit tiefem Überflug downwind. Dann ist es Zeit, sich von diesem schönen Fleckchen Erde zu verabschieden. Zunächst müssen wir über eine bis 9000 Fuß reichende Wolkenschicht klettern, dann reicht uns FL 85. Windhoek Information reicht uns an Eros Tower weiter. Wir passieren die letzte Bergkette, gehen in den linken Gegenanflug und können dann im Queranflug vor der Abschlusslandung noch ein paar Fotos vom Stadtzentrum schießen. AVIS hat keinen Leihwagen für uns. Wir laden unser Gepäck in ein Taxi, das uns wieder zum Puccini Guest House bringt. Die Preise für die Taxifahrt vom / zum Eros-Flugplatz variieren von 40 N$ über 25 N$ bis 12 N$. Bei einer Cola vertilgen wir die letzten Reste unseres Billtong (Trockenfleisch)-Vorrats. Nach dem Packen hätten wir gerne noch einmal in der „Kaiserkrone“ ein Trüffel-Menü genossen. Leider ist sie geschlossen. Aber Filet und Spearribs im Spur-Steakhouse sind auch nicht schlecht. Im Puccini leeren wir eine letzte Flasche Nederburg Cabernet Sauvignon.
Montag, 22.5.2006
Um 6 Uhr zeigt das Thermometer 2 Grad Celsius an, absolut ungewöhnlich für hier. In Kapstadt soll es geschneit haben. Am Eros-Flugplatz begleichen wir die Landegebühr (mäßige 80 N$) und bezahlen bei Herrn Hartmann unsere Flugstunden auf seiner Cessna, die uns in den letzten Wochen über dreißig Stunden brav und ohne Mucken durch Namibia, Botswana und Sambia getragen hat. Ein Taxi bringt uns um 12 Uhr für 200 N$ zum Flughafen Windhoek Hosea Kutako. Grenzkontrolle und Einchecken sind problemlos, unsere Ausreise nach Maun und die Einreise über Grootfontein sind kein Thema. Während des Flugs nach Johannesburg spiegelt sich die untergehende Sonne auf der Tragfläche unseres Airbus A 319. Beim Anflug auf Johannesburg ist es schon dunkel, wegen des Blicks auf die Lichter der großen Stadt lohnt sich der Fensterplatz.
Dienstag, 23.5.2006
Gegen 6 Uhr setzt unser Airbus A 340 mit den engen Sitzreihen in der Economy-Klasse in Frankfurt auf. Wir erwischen den ICE 6.54 Uhr nach Mannheim im Laufschritt, steigen dort in den ICE nach Offenburg um und wechseln da in den Schienenbus nach Schiltach. Die letzten Video-Sekunden zeigen die Einfahrt in den Bahnhof Schiltach-Mitte, wo meine Frau Rita auf uns wartet und mit einer Flasche Insel-Secco von der Reichenau und den dazu gehörigen Gläsern am Bahnsteig steht, um Ekke und mich nach Hause zu bringen.
Text und Fotos: Rita und Michael Klöters
Namibia 2006
Sportfliegergruppe Schwenningen a. N. e.V.
Ausbildungsleiter - Armin Schneider
Spittelbronner Weg 62
78056 Villingen-Schwenningen