Reisebericht von Michael Klöters. Fotos Heiner Frahm und Michael Klöters
Unser Freund Heiner träumte seit langem von einer Reise nach Marrakesch. Als er vorschlug, mit mir in einer einmotorigen Maschine dorthin zu fliegen, brauchte ich nicht lange zu überlegen. Da seine Regine und meine Rita einem solchen Transportmittel eher skeptisch gegenüberstehen, war klar, dass die Planung für ein reines Männer-Abenteuer anstand. Ein Dia-Abend bei uns überzeugte Heiner, Andalusien mit seiner fast 800-jährigen arabischen Geschichte in die Planung einzubeziehen. Ich besorgte Karten und Anflugblätter für Frankreich und Spanien. Eine Karte mit den in Marokko vorgeschriebenen Sichtflugstrecken und Anflugblätter für die marokkanischen Flugplätze lieferte das Internet frei Haus. Ebenfalls am Computer konnte ich mich über die Aktivität der militärischen Tiefflugstrecken in Frankreich informieren, bei DFS (Deutsche Flugsicherung) die Notams durchsehen (nicht nach Libyen, Syrien und Irak einfliegen!) und den Flugplan für die erste Strecke nach Béziers aufgeben. Wie vorgeschrieben (Parkprobleme in den Urlaubsmonaten?) meldete ich mich beim Flughafen Béziers telefonisch an. Am 31.8.2014 - Regenwetter - checkte ich die DA 40 Diamond Star des Schwenninger Fliegerclubs, lud mein Gepäck ein, kontrollierte die Papiere auf Vollständigkeit und tankte voll - nach „weight and balance“ - Berechnung trotz unserer aus nur zwei Personen bestehenden Besatzung legal gerade noch möglich.
Als Heiner aus Stuttgart am Schwenninger Flugplatz eintrifft, liegen Nebelschwaden über der Runway. Wir können uns in aller Ruhe noch einmal über das Wetter auf der Strecke informieren. Mit Hilfe von Armin Schneider, der heute auf dem Tower von EDTS Dienst hat, füllen wir das Öl auf 7 ¾ Quarts auf, laden neben Heiners Gepäck ein paar Dosen D 100 als Ölreserve ein und kontrollieren den Reifenluftdruck. Der Nebel lichtet sich etwas. Das „Loch vom Dienst“ zeigt sich, um 10:43 Uhr können wir bei leichtem Seitenwind mit unserer D-ESMF auf der 22 starten und mit einer 360 über die noch dichten Wolken auf FL 85 (knapp 3000 m über Meereshöhe) steigen. Basel Approach genehmigt unser Routing über den Basler Flughafen / BLM VOR nach Besancon. Dort haben wir für die nächsten 12 Tage die Wolken weitgehend hinter uns gelassen. Heiner muss sich erst einmal an das im Vergleich zu seinem Mercedes doch deutlich engere Cockpit gewöhnen. Und ich stelle erst fest, dass ich mit meiner nicht ganz schlanken Figur je nach Sitzposition das Trimmrad zwischen uns blockiere, nachdem sich der Autopilot zwei - oder dreimal verabschiedet hat: „Hello pilot!“. Die französischen Militärpiloten machen Mittagspause, links zieht der Montblanc vorbei. Bei zahlreichen Frequenzwechseln kommt keine Langeweile auf. Anstelle unserer vorgesehenen Streckenführung über die vielen Pflichtmeldepunkte von Lyon - Saint Exupéry und Lyon - Bron schlägt Lyon Information uns den Weg über Lima Tango Papa und Mike Tango Lima vor, die VOR’s von La Tour de Pin und Montélimar. Der Blick geht über die Rhone und die Städte an der N7, die uns früher so oft in den Süden gebracht hat. Wir vermeiden es, die vielen Kernkraftwerke zu überfliegen, die in Frankreich zahlreicher als Windräder zu sein scheinen. Der Tramontagne schiebt uns in flottem Tempo direkt nach Béziers. Nach 2 Stunden und 53 Minuten, eine halbe Stunde früher als bei der Planung errechnet, setzen wir bei auch am Boden heftigem Wind - natürlich Seitenwind - auf der 27 von LFMU auf, rollen zum Tanken (preisgünstige 2,16 € / Liter Avgas) und geben im Bureau de piste unseren Flugplan nach Castellon de la Plana auf. Die Zeit bis zum Start reicht für einen kurzen Snack in der kleinen Abflughalle, wo Ryanair-Fluggäste aus Bremen und Edinburgh auf den Rückflug vom Sommerurlaub warten. Alles ist mit wenigen Schritten zu erreichen, angenehm bei südlichen Temperaturen über 30 Grad, an die wir uns nach dem kühlen deutschen Schmuddelwetter erst gewöhnen müssen. Weiter geht es an der Küste entlang, an Narbonne und Perpignan vorbei, über die Ausläufer der Pyrenäen auf den kleinen Platz von Ampuriabrava zu, den wir wegen der dort aktiven Fallschirmspringer in einigem Abstand passieren. Barcelona können wir nicht wie früher überfliegen. Die vorgeschriebene Sichtflugroute führt über den für die General Aviation vorgesehenen Flugplatz von Sabadell. Dahinter wird im Dunst die Sicht immer schlechter. Wegen der nahen Berge rechts von uns gehen wir hinter Barcelona auf Südkurs Richtung Küste. Der folgen wir über das 2000 Jahre alte Tarragona, das Ebro-Delta und die markante Halbinsel von Peniscola mit seiner Festung bis Castellon de la Plana. Die 800-Meter-Bahn dort, bei Fallschirmspringern beliebt, liegt nur 100m vom Strand entfernt. Niemand ist am Funk. Wir informieren auf der Platzfrequenz den örtlichen Verkehr über unsere Absichten. Die enge Platzrunde bringt uns schneller und erheblich höher als beabsichtigt ins Final. Also Go around, eine Ehrenrunde, dann passen Fahrt und Höhe für die Landung, und auf den Palmenstrand mit seinen Hotels haben wir bei dieser Gelegenheit auch schon einen Blick geworfen. Flugbenzin ist mit 2,95 € deutlich teurer als in Frankreich. Ein freundlicher Mensch in der Luftaufsichtsbaracke informiert uns über die Landegebühr (85 €) und die Parkgebühr (100 €)! Wie bitte??? Mit hohen Flughafengebühren in Spanien haben wir zwar schon gerechnet, aber so hoch? Erst als ein breites Grinsen das Gesicht unseres Gegenübers überzieht, merken wir, dass er uns auf den Arm genommen hat. Am nächsten Tag zahlen wir dann moderate 11€. Der kurze Fußweg zu einem mit allem Nötigen ausgestatteten 2-Sterne-Hotel am Strand ist mit unserem Gepäck, wozu auch die für die Flugplanung erforderlichen Unterlagen und Heiners Kamera-Ausrüstung gehören, recht schweißtreibend. Also stürze ich mich erst einmal ins lauwarme Meer, danach können wir auf der Terrasse nach einem kühlen Bier bei einem guten spanischen Abendessen - Paella Alicantina mit Meeresfrüchten, dazu ein guter Wein, dann Kaffee und als Cognac ein Carlos I - die Eindrücke des ersten Tages in Ruhe sinken lassen.
Als wir am nächsten Morgen voller Tatendrang am Flugplatz unseren Flugplan aufgeben wollen, hören wir ein entmutigendes: „Granada ist geschlossen. Und Cordoba? Ebenfalls geschlossen. Der Luftraum ist wegen Luftwaffenübungen gesperrt.“ Gerade als unsere Laune in den Keller zu sinken droht, denken wir an die 85€ Landegebühr von gestern. Wieder blicken wir in das verschmitzt lächelnde Gesicht des Platzwarts, der uns dann freundlich beim Aufgeben des Flugplans hilft. Wenn wir wieder mal nach Castellon kommen, lassen wir uns sicher nicht noch ein drittes Mal verladen. Wir fliegen über Sagunt an Valencia vorbei, über den Flughafen und den Circuit Ricardo Tormo, die Rennstrecke von Valencia. Über der meist einsamen Mancha mit nur wenigen Städtchen und Dörfern, die bis auf einige grüne Bewässerungskreise fast wüstenartig wirkt, steigen wir wegen der bis zu 7000 Fuß hohen Berge auf FL 85. Über das VOR von Yeste erreichen wir nach etwa 2 Stunden Granada. Außer uns scheint niemand in der Luft zu sein. Wir dürfen 2000 Fuß über der Stadt einige Kreise um die Alhambra drehen, das arabischen Märchenschloss, das wir uns aus der Luft ausgiebig ansehen und fotografieren. In der Stadt ist besonders die Kathedrale sehenswert mit den Königsgräbern von Isabela und Ferdinand. Wir wenden uns nach Westen und sind nach 5 Minuten schon im Endanflug auf die 27 des Flughafens Federico Garcia Lorca. Wir rollen hinter dem Follow me zu unserer Parkposition. Der Flughafen scheint im Dornröschenschlaf zu liegen. Am Abend werden hier noch 5 Maschinen starten, 4 nach Barcelona und eine nach Madrid. Als wir die Haube öffnen, schlägt uns die andalusische Hitze entgegen; wie wir später sehen, 42 Grad im Schatten, aber kein Schatten auf dem heißen Asphalt. Bald ist der angeforderte Tankwagen da. Wir passieren einen einsamen Posten der Guardia Civil und gehen zur Flugplanaufgabe, die für Marokko mindestens 24 Stunden vor Abflug erfolgen muss, zum AIS/AENA-Büro. Ein Taxi bringt uns für 35 € zu unserem Hotel innerhalb der Mauern der Alhambra. Nein, nicht zum teuren 4-Sterne-Parador, sondern zum kleinen 1-Stern-Hotel America, das uns allen Komfort bietet, den wir benötigen. Nach einer erfrischenden Dusche besorgen wir uns die Eintrittskarten für die Alhambra. Zum Besuch der Nasridenpaläste benötigt man einen Slot, während die Besichtigungszeit für die Alcazaba (Vorburg) und den Generalife ( Sommerschloss ) am Besuchstag frei gewählt werden kann. Vom Ticketschalter aus gehen wir den steilen Weg an der östlichen Mauer der Alhambra entlang bergab zum kleinen Fluss Darro, der in der Sierra Nevada entspringt und dessen Wasser die Gärten des Schlosses mit Wasserbecken und Fontänen in ein Paradies verwandelt, vor allem in den Augen wüstengewohnter Araber. Auf der anderen Seite der Brücke steigt der Weg auf den Albaicin-Hügel mit seinen weißen Häusern, teilweise noch aus arabischer Zeit, steil an. Bei auch am Spätnachmittag immer noch hohen Temperaturen nehmen wir den städtischen Kleinbus hinauf zum Mirador de San Nicola. Die Aussichtsterrasse bietet einen herrlichen Blick auf die in der Abendsonne rötlich leuchtende Alhambra ( al hamra = die Rote) und die dahinter bis auf fast 3500 m aufragende Sierra Nevada. Hier genießen Touristen und Einheimische, Junge und Ältere fotografierend, sich unterhaltend, Flamenco spielend und tanzend den Sonnenuntergang. Von den Restaurant – Terrassen unterhalb des Platzes hat man den gleichen Ausblick und noch ein kühles Getränk dazu. Schließlich nehmen wir ein Taxi zu unserem Hotel innerhalb der angestrahlten Mauern der Alhambra. Im schönen Innenhof essen wir zur üblichen spanischen Zeit, kurz nach neun bis halb elf, zu Abend. Die spanischen Gerichte (Gazpacho, Gemüsekaltschale und Conejo, Kaninchen) schmecken mir gut und runden den Tag ab.
Nach einem spanischen Frühstück mit Tostadas, Jamon serrano, Olivenöl und Tomatenaufstrich besichtigen wir zunächst den außen quadratischen, innen runden Renaissancepalast Karls des Fünften (für die Spanier Carlos I) und die Alcazaba. Vom höchsten Turm aus genießen wir die Aussicht auf Stadt und Umgebung. Pünktlich um 11 Uhr werden wir mit vielen Anderen in die Nasriden – Paläste eingelassen. Der ornamentale Schmuck der stuckverzierten Wände, frei von figürlichen Darstellungen, aber voller Poesie in arabischer Schrift, der Holzdecken, der Wandkacheln (Azulejos) beeindruckt mich trotz der zahlreichen anderen Besucher immer wieder ebenso wie das überall leise durch kleine Kanäle in rechteckige Becken und Brunnen plätschernde Wasser und die verträumten Patios mit ihrem Grün, ihren Blumen und Orangenbäumen. Durch die Gärten, an Mauern und Türmen vorbei führt uns der Weg zum Generalife. Dann ist es Zeit für ein kühles Bier und einen kleinen Imbiss. Mitten im Auge des Touristen – Hurricans, zwischen Haupteingang mit Ticketverkauf und Eingang zum Generalife, finden wir mit dem La Mimbre (die Weide) ein ausgezeichnetes spanisches Restaurant. Im schattigen Garten genießen wir in aller Ruhe eine leckere Tortilla con gambas (Garnelenomelett), während draußen die Touristenmassen vorbeiziehen. Damit haben wir auch schon den Platz für unsere Abendmahlzeit gefunden. Wir bitten den Kellner, am Abend eine Flasche Marques de Cáceres, einen guten Rioja, richtig temperiert bereitzuhalten, was wir ihm angesichts der andalusischen Sommertemperaturen nicht weiter erläutern müssen. Nach einer Siesta spazieren wir bergab in die Stadt zur Plaza Nueva, vorbei an einem Denkmal von Washington Irving, dem amerikanischen Diplomaten und Schriftsteller, der vor fast 200 Jahren nach einem längeren Aufenthalt hier mit seinen Alhambra-Geschichten diesen traumhaften und zum Träumen anregenden Schatz aus arabisch-andalusischer Zeit weltberühmt gemacht hat. Am Weg liegen drei Werkstätten, in denen noch die Kunst des Gitarrenbaus gepflegt wird. Wir genehmigen uns ein leckeres Eis, bevor uns der praktische Kleinbus der Linie C3 von der Plaza Isabel la Católica wieder zu unserem Restaurant bringt, zufälligerweise mit dem gleichen freundlichen Fahrer wie gestern. Unspanisch früh lassen wir uns schon um kurz nach acht Uhr gebackene Sepia, Tintenfisch, und Emperador oder Pez espada, Schwertfisch, schmecken. Noch ein kleiner Verdauungsspaziergang durch die nächtliche Alhambra. Nur wenige Touristen erfreuen sich wie wir am Anblick der dezent angestrahlten Palastgebäude und den Lichtern der gegenüberliegenden Hügel Albaicin und Sacromonte.
Ein Taxi bringt uns zum Flughafen. Für einen Flug zu einem Ziel außerhalb der EU benötigt man in Spanien einen Handling Agent. Raquel von Swissport kümmert sich um die Abrechnung von Lande- und Parkgebühr (60 €) und den übrigen Papierkram und fährt uns nach Passieren der Guardia Civil den nicht ganz kurzen Weg zu unserem Flieger. Dieses „Basic Handling“ kostet bei Swissport 30 €, günstiger als bei Iberia. Wir laden unser Gepäck ins Flugzeug, verstauen schmutzige Wäsche in den großen Taschen, die immer in der Maschine bleiben, und ergänzen daraus unsere Kleidervorräte im Handgepäck. Wir starten auf der 27 und fliegen in westlicher Richtung bis zum VOR MAR von Martin de la Jara, wo wir nach Süden Richtung Ronda drehen. Diese hoch auf einem Felsplateau gelegene weiße andalusische Stadt ist uns zwei Vollkreise wert. Der Felseinschnitt, der sie teilt, wird von drei Brücken überspannt, eine aus der Römerzeit, eine aus dem Mittelalter und die „Neue Brücke“ aus dem 18. Jahrhundert, 150 m über der Schlucht. Gut zu erkennen ist die Stierkampfarena, eine der ältesten Spaniens, ein ganz besonderer Anblick, auch wenn das alte Ritual selbst hier nicht mehr ganz so populär ist wie in den letzten Jahrhunderten. Wir steuern auf Marbella an der Costa del Sol zu und folgen der Küstenlinie, bis Gibraltar querab von uns liegt. Von hier aus ist die Strecke nach Afrika, zur anderen Säule des Herkules, Ceuta, nur ein Katzensprung. In den Notams hieß es, man solle sich, um Missverständnissen vorzubeugen, Kriegsschiffen in der Straße von Gibraltar nicht allzu sehr nähern. Das Problem ergibt sich für uns in FL 85 nicht. Allerdings schickt uns Casablanca Control zunächst über das Mittelmeer nach Südosten, statt über Ceuta dürfen wir an Tetuan vorbei über den Badeort Oued Laoui ins Land. Von dort ist der Weg dann aber unkomplizierter als auf den VOR-Strecken mit den vielen Pflichtmeldepunkten vorgesehen: direkt nach Ouezzane, von dort direkt nach Fes. Der Flughafen von Fes liegt nach zweieinhalb Stunden unter uns und gehört uns zur Zeit wie in Granada ganz allein. Andere große oder kleine Flugzeuge sind nicht zu sehen. Der Chef der Grenzpolizei kommt persönlich den weiten Weg über das ausgedehnte Vorfeld zur Parkposition unserer D-ESMF und begrüßt uns freundlich mit Handschlag. Nachdem wir die Fiches d‘ Embarquement / Débarquement ( Ankunfts- und Abreiseformulare ) ausgefüllt haben, wie in den nächsten Tagen bei jedem An-und Abflug, nimmt er unsere Pässe mit. Kaum sind wir mit dem Betanken und Entladen unserer Maschine fertig, bringt er sie uns mit den notwendigen Stempeln versehen zurück. In der Ankunftshalle tauschen wir Euro in marokkanische Dirham. Wir erhalten etwa 10,6 Dirham für einen Euro. Ein altes Mercedes-Taxi (dem Vernehmen nach dürfen demnächst Taxen in Marokko nicht älter als fünf Jahre sein) bringt uns für 120 Dh in die Stadt. Vom Bordj du Nord aus werfen wir einen ersten Blick auf die Altstadt von Fes. Durch das Bab Guissa, eines der Tore in der Altstadtmauer, gelangen wir zu unserem Hotel „Palais Jamai“, das ich nach einem früheren Aufenthalt in guter Erinnerung habe. Inzwischen gehört es zur Sofitel-Kette, und da Heiner im Computer als Sofitel-Kunde registriert ist, überrascht uns beim Einchecken der Manager mit einem Upgrade. Für den Preis des Standardzimmers, das wir von Granada aus gebucht haben, bekommen wir ein Balkon-Zimmer mit herrlichem Blick über die gesamte Altstadt, dessen normaler Preis doppelt so hoch liegt. Unter uns lockt der große Pool, in dem wir uns entspannen und daran gewöhnen können, jetzt in Afrika zu sein. Die Hochstimmung lassen wir uns nicht von der geringen Motivation des Poolboys, der für die Vergabe von Badetüchern zuständig ist, verderben. Denn auf uns wartet ein besonderes gutes Abendessen. Am internationalen Teil des Restaurants vorbei steuern wir den Teil des Gartens an, wo einheimische Küche serviert wird. Wir entscheiden uns für fettgebackene Vorspeisen, danach Tajine bzw. Couscous, jeweils mit Lammschulter, dazu einen guten marokkanischen Rotwein. Nicht umsonst führt mein Reiseführer diese Küche als die beste der Stadt auf. Wir blicken auf die funkelnden Lichter der Altstadt und haben den Chor der zahlreichen Muezzins in den Ohren, die aus allen Richtungen die Gläubigen zum Abendgebet aufrufen und deren Uhren nicht ganz synchron zu laufen scheinen. Wir sind in Marokko angekommen.
Auch beim Frühstück auf der Terrasse, das unserer guten Adresse angemessen ist, dürfen wir den Ausblick über die Stadt genießen. Gestern haben wir über den Concierge einen deutschsprachigen Führer für die heutige Stadterkundung bestellt. Pünktlich um 10 Uhr holt uns Hamid ab. Nach einer Kehlkopf-Operation ist seine leise Ruktus-Sprache etwas gewöhnungsbedürftig. Aber er führt uns zuverlässig durch das Gassengewirr der Medina, zeigt uns alles, was wir sehen möchten, und gibt den wissbegierigen Reisenden aus Almaniya geduldig alle erwünschten Informationen und Auskünfte. Ohne ihn würden wir uns wahrscheinlich hoffnungslos verlaufen. In den Souks ist nur ein Teil der Werkstätten und etwa jeder dritte Laden geöffnet - es ist Freitag. Dennoch gibt es genug zu sehen. Eine Frau sucht sich unter den lebenden Hühnern eins aus, das umgehend geköpft wird. Ein Durchgang führt in einen Fondouk, eine Karawanserei. Im Innenhof sind Maultiere und Esel angebunden, dahinter liegen die Zugänge zu den Lagerräumen, im Obergeschoß gibt es Übernachtungsmöglichkeiten für die Treiber der Tiere. Hühner laufen zwischen unseren Füßen durch den Hof; der Geruch lässt keinen Zweifel daran, dass hier seit Jahrhunderten Lasttiere geparkt werden. Einige Gassen werden frisch gepflastert, alte Häuser und Moscheen werden restauriert: Die ganze Altstadt ist jetzt UNESCO – Weltkulturerbe. Also wird für den Zutritt zu den beiden Medersas (theologische Hochschulen), die wir besichtigen, eine bescheidene Gebühr von 10 Dirham pro Person fällig. Dafür können wir uns in Ruhe und fast allein ausgiebig umsehen. Vor allem in der prächtigen Medersa Bou Inania finden wir die Stilelemente der teilweise gleichzeitig entstandenen Alhambra wieder mit stuckverzierten Wänden, Reliefschnitzereien aus Zedernholz und einem mit Marmor ausgelegten Innenhof. Der Zugang zu den Moscheen ist für uns verboten, aber durch offene Tore können wir manchmal einen Blick hineinwerfen. Einige Brunnen bieten nicht nur dekorative Fotomotive, sondern dienen immer noch der Wasserversorgung für die Häuser des Viertels, die noch keinen Wasseranschluss haben. Natürlich müssen wir uns das Gerber - und Färberviertel ansehen, das man schon von weitem mit der Nase lokalisieren kann. Wir steigen durch eines der umliegenden Ledergeschäfte zu einer Terrasse hoch, von wo aus wir einen guten Überblick haben. Man reicht uns Minzblätter, die wir zwischen den Fingern verreiben, um unsere Nasen abzulenken. Der Besitzer informiert uns, dass das Gerben und Färben von vier Familien betrieben wird. Fremde Arbeiter seien für die extrem harte Arbeit unter der brennenden Sonne, bis zu den Knien in Farbbottichen stehend und den ätzenden Laugen ausgesetzt, kaum zu bekommen. Natürlich führt uns Hamid auch in einen Teppichladen. In der angenehm klimatisierten Luft erholen wir uns etwas bei einem Glas Tee mit frischer Minze. Schade, dass in unserer D-ESMF wirklich nicht genug Platz ist für eines der uns vorgeführten Prachtstücke. Und nach Deutschland schicken lassen? Die gewandten Verkäufer können sich die dann drohende Ehekrise („….und bringt bitte ja nichts mit!!!“) auch nicht ansatzweise vorstellen. Also muss unser Führer heute leider auf seine Provision verzichten. Zum Mittagessen führt uns Hamid in ein Restaurant in marokkanischem Stil. Wir sehen hier allerdings nur andere Touristen mit ihren Führern. Dass wir ihn einladen, mit uns zu essen, ist für ihn wohl nicht ganz selbstverständlich. Die anderen Führer sitzen jedenfalls nicht mit am Tisch ihrer Kunden. Das Essen ist gut, Brochettes (Fleischspieße) und Salate, Trauben und Melonen. (Der marokkanische Quickstepp hat uns übrigens während unserer Reise verschont.) - Und nun? Weiter zu Fuß? Rund um die Altstadtmauern führt über die Hügel eine 16 km lange Ringstraße, die immer wieder neue Ausblicke bietet. Hamid ruft einen Freund an, der einen alten Mercedes besitzt. Am Bab Boujeloud, einem mit blauen Fayence-Fliesen geschmückten Stadttor, steigen wir aus. Die Straßen sind so belebt, wie ich sie seit vierzig Jahren kenne, aber das Erscheinungsbild hat sich gewandelt: Während junge Frauen früher oft nicht anders gekleidet waren als in europäischen Großstädten, sieht man jetzt kaum noch ein weibliches Wesen ohne Schleier oder zumindest Kopftuch. Ich höre, dass der marokkanische Studentenverband islamisch wenn nicht islamistisch geprägt ist. So in Gedanken übersehe ich ein Loch in der Straße und hinke für ein paar Wochen. Der Weg führt uns zum Dar el Makhzen, dem Königspalast, dessen goldglänzende Tore man vom weiten Vorplatz aus sehen kann. Weiter geht es zu den Meriniden-Gräbern, wieder mit schönem Ausblick, und schließlich verabschieden wir uns am Hotel von Hamid, der uns sechs Stunden lang zu den Höhepunkten seiner Stadt begleitet hat. Zum Abendessen reichen uns heute ein paar der von zu Hause mitgebrachten Äpfel. Auf der Terrasse hinter der Bar genießen wir bei einer Pfeife den schönen Abend, gut versorgt mit Mineralwasser, einer Flasche Rotwein, Oliven, Nüssen, Käse. Morgen werden wir nach Zagora fliegen – Inschallah, wie uns Hamid gelehrt hat.
Unser gestriger Fahrer, den wir auch für die Fahrt zum Flughafen heute engagiert haben, ist pünktlich um 9 Uhr zur Stelle. Heute ist die Abflughalle belebter, zwei Ryan Air – Maschinen stehen zum Abflug bereit. Der Chef der Grenzpolizei nimmt uns wieder in Empfang und lotst uns durch die Sperren. Die Landegebühr ist minimal, das Flugwetter in Ordnung. Vor der Halle steht der große Privatjet einer Prinzessin aus den Emiraten. Nach dem Start steuern wir Richtung Süden und überfliegen erst den Mittleren, dann den Hohen Atlas. Die Streckenführung: Sefrou – Boulemane – Aouli – Zebzate – Nzal – Rich – Barrage Ziz – Er Rachidia – Goulmima – Tinerhir – Boulmane du Dades – Kelaa des Mgouna – Sekoura – Ouarzazate – Agdez – Zagora. Kurse und Entfernungen sind in der marokkanischen Karte der Sichtflugstrecken, die ich mir zu Hause aus dem Internet geladen und ausgedruckt habe, genau angegeben. Die Funkverbindung reißt bald ab. Trotz etwas dunstiger Luft bereitet die Orientierung über dem einsamen, weiten Land mit wenigen Straßen, Pisten und Siedlungen keine Probleme. Vom Wüstenbraun hebt sich die grün leuchtende Flußoase des Oued Ziz ab, und der Stausee des Ziz ist weithin zu sehen. Erst im Bereich der Flughäfen von Er Rachidia, Ouarzazate und Zagora haben wir wieder Funkkontakt. Ab Er Rachidia fliegen wir in westlicher Richtung die belebtere Route des Kasbahs entlang. Eine der berühmten Speicherburgen in Lehmbauweise nach der anderen zieht unter uns vorbei, jeweils von einer größeren oder kleineren Häuseransammlung umgeben. In Tinerhir umkreisen wir die Todra-Schlucht, dann folgen wir ab Ouarzazate nach Südosten der langgestreckten Oase entlang des Oued Draa, deren Dattelpalmengrün uns zu unserem Ziel leitet. Der Flughafen von Zagora mit seiner 3000 m langen und 45 m breiten Asphaltpiste wurde erst vor wenigen Wochen offiziell in Betrieb genommen, obwohl er schon seit Jahren fertiggestellt ist. Die Besitzer der Mietwagenfirmen in Marrakesch hatten wohl etwas gegen die Eröffnung…. Heute scheint noch mehr als in Granada und Fes alles nur für uns vorgehalten zu werden. Der Flughafenkommandant begrüßt uns, wir geben für übermorgen den Flugplan nach Marrakesch auf.
Als Herberge für zwei Tage haben wir uns das Hotel Saharasky bei den Dünen von Tinfou 25 km südlich von Zagora ausgesucht, gestern von Fes aus gebucht und dabei vereinbart, dass wir am Flughafen abgeholt werden. Der deutsche Besitzer Fritz-Gerd Koring ist mir mit seinem Hotel in einem Fernsehbericht über Wassermangel in Marokko und Südspanien positiv aufgefallen. Er lebt seit vielen Jahren in Marokko, meist in Casablanca, und ist mit einer marokkanischen Apothekerin verheiratet. Vor etwa 20 Jahren hat er das Hotel im Stil einer Kasbah mitten in der Wüste etwas abseits der Straße nach M’Hamid gebaut. Inzwischen hat der Flugsand fast die Höhe der Umfassungsmauern erreicht. Schon von Deutschland aus haben wir per Email besprochen, was wir dort unternehmen können. Vom weitläufigen Flachdach aus hat man die Gelegenheit, mit Hilfe eines eigens angestellten Astronomen fern jeder künstlichen Beleuchtung und bei meist sehr klarer trockener Luft mit erstklassigen Teleskopen den Sahara – Sternenhimmel zu bewundern. Wir sind die einzigen Gäste, da das Hotel nach der Sommerpause gerade erst wieder geöffnet ist. Fritz begrüßt uns und zeigt uns unsere Suite mit großem Balkon und Ausblick auf die endlos scheinende Sahara: eine Sanddüne in der Kieswüste, schwarze Beduinenzelte, ein Esel am Brunnen, ein paar Kamele. Tarik, der Sohn eines Billardpartners und Geschäftsfreunds von Fritz, holt uns ab, um uns Tamgroute, den nächstgelegenen Ort, zu zeigen. Wir gehen (bzw. hinken) durch die Gassen des alten Ortszentrums und lassen uns erklären, dass in den zweigeschossigen Häusern im Obergeschoß die besser Situierten wohnen, während das Souterrain für die Ärmeren vorgesehen ist. Früher hausten hier die Sklaven. Wir werfen einen Blick auf die über 300 Jahre alte Zawia Tamgroute, das Zentrum einer religiösen Bruderschaft. Das Heiligtum birgt neben einer Bibliothek das Grab von acht Marabus. In einem von Arkaden gesäumten Hof mit einem Brunnen in der Mitte warten in den Nischen Pilger auf Heilung. Wir ziehen weiter, zu einer Produktionsstätte der für hier typischen grünglasierten Töpferwaren. Die Brennöfen wurden früher mit Akazienholz beheizt, das eine Temperatur von 1000 Grad lieferte. Als die Akazienstämme zur Neige gingen, nahm man stattdessen Palmen, die nur mit 800 Grad brennen. Dies war der Qualität der getöpferten Krüge und Schalen abträglich. Hier griff die deutsche Entwicklungshilfe ein: Man lieferte einen mit Gas betriebenen Brennofen, der für eine ausreichend hohe Temperatur sorgte, plus Gas-Erstausstattung. Gasflaschen werden sogar bis in weit abgelegene Dörfer geliefert. Um Nachhaltigkeit bemüht pflanzte man außerdem 25000 Akazien-Schösslinge an. Die Aktion konnte zunächst als Erfolg verbucht werden. Da Gas in größeren Mengen aber nicht billig ist, zeigt man zwar den Touristen stolz den modernen Brennofen, greift zum Brennen aber weiter auf Palmen zurück. Und über die saftigen Akazien-Triebe freuten sich ein halbes Jahr lang die örtlichen Ziegen und ihre Hüter, bis alles kahlgefressen war. Zurück im Hotel genießen wir ein kaltes Bier, machen uns frisch und freuen uns auf das marokkanische Abendessen. Der Himmel ist bewölkt, mit den schönen Teleskopen können wir heute abend weder Mond noch Sterne sehen. Ein kleines Gewitter zieht auf, ein paar Regentropfen schaffen es bis zum Boden, ehe sie verdunsten. Bei einer Flasche Rosé erfahren wir von Fritz eine Menge über das Leben in diesem Land.
Nach dem Frühstück holt uns unser Fahrer Mustafa ab. Mit der Kamelkarawane sind es 52 Tage bis Timbuktu. Wir haben es im klimatisierten Mitsubishi-Geländewagen deutlich bequemer und kommen rascher vorwärts. 90 km südlich von Zagora, kurz vor der nicht exakt festgelegten Grenze nach Algerien, endet in der am Oued Draa gelegenen großen Oase M’Hamid die Teerstraße. Wir folgen einer teils felsigen, teils sandigen Piste nach Westen auf den Iriki – See zu, der meist ausgetrocknet ist. Mustafa erweist sich als ausgezeichneter Fahrer. Nach etwa 100 km halten wir an einem Zeltcamp am Rand eines großen Sanddünengebiets an. Eine hohe Düne wartet darauf, erstiegen zu werden. So etwas macht natürlich kein Beduine. Das ist nur etwas für Touristen. Kamele sieht man keine auf den Dünen – nur uns…. Heiner hat keine Socken in seinen Turnschuhen an. Unter der brennenden Sonne ist der Sand glühend heiß, heiß genug, um ihm einige große Brandblasen an den Zehen zu bescheren. Mit Kopfbedeckung und Wasserflasche versehen kämpfen wir uns mühsam auf der Dünenkante nach oben, immer drei Schritte vor, um im lockeren Sand wieder zwei Schritte zurück zu rutschen. Auf halber Höhe denkt Heiner vernünftigerweise an seine Gesundheit und bricht den Versuch rechtzeitig ab, ohne weiteren Schaden zu nehmen. Ich muss natürlich ein paar Fotos von ganz oben schießen, worauf mich mein rechter Fuß prompt in den nächsten Tagen immer wieder an das Loch in der Straße am Bab Boujeloud in Fes erinnert. Die Beduinen an der Basis der Düne bieten uns einen Imbiss mit Minztee und Brot an. Noch wichtiger für unsere Erholung ist der Schatten des Zeltes, in dem wir uns hier am südlichsten Punkt unserer Reise ausruhen. Nicht weit entfernt stoßen wir nach dem Töpfer-Brennofen von Tamgroute auf ein weiteres Relikt der deutschen Entwicklungshilfe: Ein intaktes, fast neues Schulgebäude für die Beduinenkinder der Umgebung erfüllte drei Monate lang seine Aufgabe und steht seitdem leer. Die Beduinen-Familien sind inzwischen auf der Suche nach Wasser und Weiden so weit weggezogen, dass sie die Schule nicht mehr erreichen können. Für die Rückfahrt wählt Mustafa eine andere Strecke. Einige Minuten lang geht die Sicht auf etwa 100 Meter zurück, ist aber bald wieder klar: Wir haben einen kleinen Sandsturm durchquert. Zurück in unserem Hotel schütten wir einen großen Teil der Sahara aus unseren Schuhen und genießen die kühle Dusche. Auch wenn wir müde sind, die Vorbereitung des Fluges morgen nach Marrakesch erfordert etwas konzentrierte Arbeit. Zur Belohnung ist der Sahara-Himmel heute klar. Unser belgischer Astronom spendiert nach dem Abendessen eine Flasche Rotwein: Er ist ganz aus dem Häuschen, da Fritz ihm für 4000 € ein hochklassiges gebrauchtes Teleskop überlassen hat, das dreimal so viel wert ist. Mit dem Superteleskop geht es aufs Flachdach. Wir lassen uns vom stürmischen Wind nicht beeindrucken und nehmen zunächst den Mond ins Visier. In zwei Tagen ist Vollmond, doch schon heute ist er so hell wie selten: erst in 32 Jahren wird er der Erde wieder so nahe sein. Heiner gelingen beeindruckende Aufnahmen von dem strahlenden Erdtrabanten mit seinen „Meeren“ und Kratern. Das helle Mondlicht ist für die Sternbeobachtung natürlich nicht ideal. Dennoch machen wir uns auf die Suche nach einem bestimmten Stern, der auch bei Neumond mit bloßem Auge kaum zu sehen ist. Der Name „Albireo“ wird eingegeben, und schon fängt das GPS-gesteuerte Gerät einen im Okular orange und bläulich leuchtenden Doppelstern ein - zwei umeinander kreisende Sterne - und folgt ihm, an die Erdumdrehung angepasst. Um Mitternacht gehen wir schlafen, unser Astronom probiert noch bis fünf Uhr seine Neuerwerbung aus.
Wir frühstücken auf der Terrasse und erfreuen uns noch einmal am Anblick der Wüste. Und am Anblick der Sonne: Der Belgier hat ein Spezial-Teleskop mitgebracht, mit dem wir uns zum ersten Mal Sonnenflecken und Protuberanzen anschauen können. Fritz empfiehlt uns für den Aufenthalt in Marrakesch ein Gästehaus in der Medina und bucht für uns telefonisch ein Zimmer. Wir verabschieden uns und hoffen, dass er sein Hotel nicht an die arabischen Prinzen und Fürsten verkauft, die einmal im Jahr hier eine Woche lang feiern. Mustafas Vater, pensionierter Militärkommandant von Zagora und jetzt Besitzer eines Taxiunternehmens mit zehn Wagen, fährt uns gemächlich zum Flughafen. Den haben wir einschließlich Polizei, Bureau de Piste usw. wieder für uns allein. Wir binden die Maschine los und beladen sie. Dann ist nach einer halben Stunde auch der Flughafen-Kommandant eingetroffen und kann seines Amtes walten. Er muss zum ersten Mal die Landegebühr von 60 Dirham kassieren und quittieren, was ihm mit Hilfe unserer Quittung aus Fes auch gelingt. Am Himmel zeigt sich kein Wölkchen. Die Luft flimmert über der heißen Startbahn, aber mit 3000 Metern ist sie bei halb leeren Tanks auch bei diesen Temperaturen für uns lang genug. In Zagora gibt es kein Flugbenzin, aber wir haben einschließlich Reserve genug Sprit bis Marrakesch und müssen nicht in Ouarzazate zum Tanken zwischenlanden. Wir steigen zunächst auf FL 65 bis Ouarzazate und haben dahinter den Hohen Atlas vor uns. Links voraus ragen die Berge bis über 4000 Meter auf, rechts sind sie mehr als 3600 Meter hoch. Für die Überquerung des 2260 Meter hohen Passes Tizi n‘ Tichka würde FL 85 reichen. Wegen möglicher Abwinde und Turbulenzen erlauben wir uns aber 1000 Fuß mehr und sind dann von der Passhöhe an schon im schnellen Sinkflug. Marrakech Approach genehmigt uns einen Direktanflug auf die Landebahn 28. Im langen Endanflug sehen wir unter der rechten Tragfläche die Medina der alten Königsstadt vorbeiziehen. Nach langem Ausschweben über dem heißen Asphalt bringt uns ein Follow Me zu unserer Parkposition. Der Tankwart kündigt an, bis zum Tanken müssten wir mit einer halben Stunde Wartezeit oder mehr rechnen. Als wir in aller Ruhe aus - und umpacken, ohne Zeichen von Ungeduld zu zeigen, sieht er, dass ein Beschleunigungs-Bakschisch nicht drin ist. Nach fünf Minuten taucht er mit dem 100-LL-Tankwagen auf und fährt uns nach dem Tanken zum AIS-Büro mit dem großen schwarzen C auf gelbem Grund, was wir entsprechend honorieren. In der kühlen Klimaanlagen-Luft des Büros füllen wir den Flugplan für übermorgen aus. Der wenig motivierte Diensthabende ist davon zunächst gar nicht begeistert. Er meint, der Flugplan habe Zeit bis übermorgen, sonst ginge er womöglich verloren. Als er unsere Hartnäckigkeit registriert, bleibt ihm nichts anderes übrig, als seufzend den Flugplan entgegenzunehmen und uns den unterschriebenen und abgestempelten Durchschlag zurückzugeben. Hoffentlich kommen heute nicht noch mehr Piloten der General Aviation, die ihn an die Grenzen seiner Belastbarkeit bringen…. In Marrakech-Ménara ist erheblich mehr los als in Fes. Das imposante Flughafengebäude scheint schon nicht mehr auszureichen, daneben ist ein neues im Bau. Wie nach jedem Flug telefonieren wir nach Hause, damit sich unsere Frauen keine Sorgen machen.
Wir rufen im Riad Ifoulki an, unserem Gästehaus. Nach ein paar Minuten werden wir abgeholt. Auf der Fahrt entlang den roten Mauern der Stadt fällt uns viel Grün auf, die Strecke vom Flughafen in die Medina ist sauber und gepflegt, so wie in Fes. Die letzten 50 Meter durch eine schmale, für Autos unpassierbare Gasse legen wir zu Fuß zurück. Riad heißt eigentlich Garten. In Marrakesch versteht man darunter auch ein Altstadthaus um einen Innenhof. Viele davon gehören inzwischen Europäern, einige nehmen Gäste auf. Hinter der bescheidenen, unauffälligen Tür unseres Riad verbirgt sich ein über dreihundert Jahre alter Palast mit fünf Innenhöfen. Der Besitzer, Peter Bergmann aus Dänemark, etwa so alt wie wir, mit kleiner Brille, gekleidet in einen leichten hellen Leinenanzug mit kragenlosem weißen Hemd, einen Panama-Hut auf dem Kopf, erinnert mich trotz seines weißen Barts ein wenig an Herrmann Hesse in Montagnola. Er empfängt uns freundlich in einem der paradiesische Ruhe ausstrahlenden grünen Patios. Mitten in der Großstadt ist nur das leise Plätschern eines maurischen Brunnens zu hören, es duftet nach Jasmin. Auf einem runden Tisch im Schatten einer Palme und eines Orangenbaums stehen eine silberne Teekanne, Gläser mit Minztee und ein Aschenbecher. Frühstück gebe es von neun bis achtzehn Uhr wann und wo man möchte, auf dem Zimmer, in einem der Innenhöfe, auf dem Dach, auf einer der vielen Terrassen. Peter zeigt uns sein Haus, über das auch schon ein Buch geschrieben wurde. Wir sind fasziniert von den immer neuen Ausblicken, den Räumen, die mit orientalischen Möbeln ausgestattet sind, der Bibliothek mit einer vierhundert Jahre alten spanischen Handschrift, einem arabesk bemalten Cembalo, alten afrikanischen Instrumenten und Holzfiguren aus Mali. Nachdem wir uns in unserer Suite frischgemacht haben, zieht es uns durch die belebten Ladengassen zum Zentrum der Stadt, dem berühmten Platz Djemaa el Fna, eine Viertelstunde Fußweg von unserem Riad entfernt. Wie seit vielen Jahren begeistert mich dieser von buntem Leben überquellende Ort: Märchenerzähler, Wahrsager, Schlangenbeschwörer mit Flöten, Artisten, Affendresseure, Händler, die Süßigkeiten, Bilder, Tücher und Plastikspielzeug anbieten, eine Gruppe von Gnaoua – Musikern, denen ein rot gewandeter Wasserverkäufer mit buntem Kopfputz einen Becher reicht, dazwischen die Schaulustigen, Touristen wie Einheimische. Ein Zahnreißer hat vor sich einen Haufen Zähne liegen, das Ergebnis seiner Tätigkeit, daneben die Gebisse, die er seinen Kunden als Ersatz verkauft. Die Augen können sich nicht sattsehen. Sehen kostet nichts – aber auf Fotografieren reagieren die Abgelichteten und ihre Assistenten, die alles im Blick haben, natürlich mit eindringlich vorgebrachter Forderung nach Barem. Also suchen wir uns einen Platz auf der Aussichtsterrasse des Café Glacier, von wo aus wir die vielfältigen Szenen des Schauspiels nicht nur beobachten, sondern mit einem guten Teleobjektiv auch im Bild festhalten können. Das ist die 20 Dh für eine Cola allemal wert, auch wenn unten auf dem Platz ein Glas frisch gepresster Orangensaft nur 4 Dh kostet. Am Rand des Gewimmels kann man mit Kartentelefonen preisgünstig nach Hause anrufen, auch wenn die Geräuschkulisse die Verständigung etwas einschränkt. Dann wird es Zeit fürs Abendessen. Der Rückweg zu unserem Riad ist nicht zu verfehlen: die Gasse entlang, vor der Apotheke nach rechts, dann an der kleinen Moschee wieder rechts. Schwieriger ist es für uns, den Weg durch das große, verwinkelte Haus zu einer Dachterrasse zu finden, wo ein festlich gedeckter Tisch und eine vorzügliche Mahlzeit auf uns warten: Suppe, Gehacktes im Teigmantel, Seeteufel. Unser Gastgeber erzählt, wie er einmal einer Dame, die Fisch überhaupt nicht mochte, den Seeteufel als Perlhuhn angeboten habe. Das „Perlhuhn“ habe ihr ausgezeichnet gemundet…. Wir genießen nicht nur das exzellente Essen und den dazu passenden Wein, sondern auch die unterhaltsamen Tischgespräche mit Peter und den übrigen Gästen. Peter erzählt spannend aus seinem bewegten Leben. Einige soziale Projekte hat er angestoßen. Von seinem Gästehaus leben 150 Menschen, da viele, die hier arbeiten, eine große Familie ernähren. Der Mond zeigt sich. Von den Garküchen am Djemaa el Fna steigt Rauch auf. Nicht weit entfernt ist das angestrahlte Minarett der Koutoubia–Moschee zu sehen. Die Rufe der Muezzins, die verkünden, die Zeit zum Gebet sei gekommen, hallen weit über die abendliche Medina. Viel zu schnell ist es Mitternacht. Ob Heiners Wunsch, Marrakesch zu sehen, sich so erfüllt hat, wie er es sich vorstellte?
Wir frühstücken unter der Palme und dem vermeintlichen Orangenbaum, bei dem es sich, wie wir erfahren, um einen Pomeranzenbaum handelt. Peter kommt mit einem Parfümeur, der für seine Kundinnen aus über zwanzig Essenzen die drei oder vier auswählt, aus denen er ein individuell passendes Parfüm mischt. Nun kennt er unsere Frauen nicht. Aber anhand von ihren Fotos soll er eine Probe seiner Kunst liefern. Am nächsten Morgen bringt er die Flacons, und erstaunlicherweise sind Regine und Rita dann mit dem Ergebnis seiner Arbeit, zwei individuellen und ganz unterschiedlichen Düften, zufrieden. Wir machen uns an die Flugvorbereitung. Unser eigentliches Ziel, der Flughafen von Cordoba, ist für den Einflug aus dem außereuropäischen Ausland nicht zugelassen. Also suchen wir als Airport of Entry und Zwischenstopp Jerez aus und planen den Flug entsprechend. Am Nachmittag spazieren wir durch die Souks von Marrakesch. Man kann sich hier leichter orientieren als in Fes, obwohl Ausdehnung und Vielfalt noch größer erscheinen. Heiner ersteht im Souk Smarine bei den Textilhändlern ein schönes Tuch, und im Souk Chouari schauen wir einem Holzschnitzer zu, der uns ein Souvenir aus Zedernholz drechselt, klein, hübsch und wohlriechend, dessen ursprüngliche Funktion wir nicht durchschauen. Im Souk Haddadine beobachten wir die Eisenschmiede bei der Arbeit. Aus Gewichtsgründen verzichten wir darauf, von hier etwas mitzunehmen. Kräuter, Gewürze, Schuhe, Pantoffel, Schmuck, Lederwaren, Teppiche – für alles gibt es eigene Gassen mit Werkstätten und Läden. Verschwitzt betreten wir schließlich an der Place Rahba Kedima das Café des Epices und schauen aus der Distanz des zweiten Obergeschosses auf die geschäftigen Märkte unter uns. Dahinter und hinter dem großen Platz beherrscht das Minarett der Koutoubia-Moschee das Stadtbild. Wir erholen uns bei einem kalten Getränk in der wegen der Erkältungsgefahr viel geschmähten, manchmal aber doch dankbar akzeptierten Kühle des klimatisierten Gastraums. Zurück an der Place Djemaa el Fna gebe ich einem Schuhputzer die Gelegenheit, seine Kunst an meinen wüstenverstaubten schwarzen Schuhen zu zeigen und ein paar Dirham zu verdienen. Es gibt nicht mehr so viele seiner Zunft, da es heutzutage an Schuhen mangelt, die sich auf Hochglanz polieren lassen. Wir umrunden die Grills der Garküchen, lassen uns auf einer der Holzbänke von Nr. 1 nieder und entscheiden uns für Brochettes, Fleischspieße, und Merguez, scharf gewürzte kleine Würste. Schließlich genießen wir bei einer Flasche Rotwein noch einmal den Abend auf dem Dach unseres Riad.
Schon um acht Uhr frühstücken wir im Patio, verabschieden uns herzlich von Peter und seinem Ziehsohn Momo („Ihr dürft wiederkommen!“) und werden um neun Uhr zum Flughafen gefahren. Der Security-Chef bringt uns durch den VIP-Ausgang zum Büro für die General Aviation (Allgemeine Luftfahrt im Gegensatz zum Linienverkehr). Jetzt geht es mit Zeitverlusten und Verzögerungen los: Unser Flugplan sei wegen Problemen mit einem Waypoint auf der Strecke nicht genehmigt. Der AIS-Mann hält Rücksprache mit dem Tower und mit Casablanca. Irgendwo seien Militärflugzeuge in der Luft (Marrakech-Menara ist auch Militärflugplatz). Ich frage nach Ausweichmöglichkeiten. Nach einigen Telefonaten wird unser Flugplan schließlich akzeptiert. Zur Bezahlung der moderaten Lande – und Parkgebühren wird mit einigen Schwierigkeiten das neue Kreditkartengerät eingeweiht. Dann fährt uns der Flughafen-Angestellte zu unserer D-ESMF, die unter der brennenden Sonne brav auf uns wartet. Wir beladen und checken unsere Maschine. Aber bevor wir einsteigen können, kommt er ganz verzweifelt wieder angefahren: Er hat in der Aufregung die Passagiergebühr für Heiner, der hier nicht als Crew-Mitglied (Navigator) gilt, mit 14 Dirham für einen Inlandflug statt mit 60 Dirham für einen Auslandsflug berechnet (es ist ja sogar ein Interkontinentalflug) und weiß jetzt nicht weiter. Wir finden seinen Chef in einer Halle. Er genehmigt eine Ergänzungsrechnung, und die Differenz von 46 Dh wird mit der neuen Kreditkartenmaschine abgebucht. Schließlich sind wir mit einiger Verspätung in der Luft. Dafür haben wir etwas Rückenwind. In Larache erreichen wir die Küste, der wir Richtung Tanger folgen. Aber 10 NM südlich von Tanger müssen wir die schöne gewonnene Zeit wieder hergeben: ein Airliner ist im Landeanflug, und damit ist für die Dame von Tanger Approach der Luftraum natürlich überfüllt. Für eine Viertelstunde schickt sie uns in eine Warteschleife. Endlich haben wir Europa vor uns, Tanger rechts querab, Cap Spartel als letztes Fleckchen von Afrika unter uns und steuern das VOR von Vejer la Frontera an. Sevilla Controll empfängt uns freundlich, und im Gegensatz zur Kollegin in Tanger schafft es der Tower von Jerez problemlos, ein Dutzend Maschinen im An-, Ab-und Durchflug zu koordinieren. Um 14:41 Uhr Ortszeit setzen wir auf der Landebahn von Jerez auf. Hier ist neben Malaga nicht nur der wichtigste Anflughafen für sonnenhungrige Touristen, die zur Costa del Sol oder Costa de la Luz möchten. Auch die General Aviation ist mit zahlreichen Kleinflugzeugen gut vertreten. Ein Follow me bringt uns zum Vorfeld. Nach wenigen Minuten sind Tankwagen und Guardia Civil da, gefolgt von unserem Handling Agent von Swissport, einem in St.Gallen geborenen, fließend Schwyzer Dütsch parlierenden Spanier. Im Büro der AENA taucht ein Problem auf: Es ist nach 15 Uhr Ortszeit, und unser nächstes Ziel, der Flughafen von Cordoba, ist geschlossen. Zwar hat man mir gestern in einem akustisch nicht optimal verständlichen Telefonat nach Cordoba erklärt, für einen Zuschlag zur Landegebühr könne man auch nach 15 Uhr landen. Was bei mir nicht angekommen ist: Diese Absicht muss man mindestens einen Tag im Voraus schriftlich oder per Fax ankündigen! Jetzt sei es dafür zu spät, außerdem seien die für eine Landung erforderlichen Flughafen-Feuerwehrmänner schon nach Hause gegangen. Die freundlichen Damen vom AENA-Büro - eine von ihnen versteht auch unsere deutschen Erklärungen - sind fast so traurig wie wir. Mit ihrer Hilfe versuchen wir auf englisch und spanisch ihrem Kollegen in Cordoba klarzumachen, dass wir den weiten Weg von Stuttgart über Marrakesch hierher nur gemacht haben, um seine schöne Stadt kennenzulernen. Schließlich will er nochmal bei seinem Chef nachfragen, in einer halben Stunde sollen wir uns wieder melden. Wir nutzen die Zeit für einen kurzen Imbiss im Flughafenrestaurant. Als die AENA-Fee nach 20 Minuten lächelnd ins Restaurant kommt, wissen wir, dass wir unser Ziel heute noch erreichen werden. Wir schicken ein Fax mit unserem Ansinnen los. Daraufhin wird per Notam veröffentlicht, dass der Flughafen von Cordoba heute zwischen 17:00 Uhr und 18:00 Ortszeit nochmal in Betrieb sei. Ein zweites Notam gibt bekannt, zur gleichen Zeit sei die Flughafenfeuerwehr dienstbereit. Plan B brauchen wir also nicht zu aktivieren (Weiterflug nach Sevilla mit seinem Alcázar, dem von maurischen Baumeistern errichteten Königsschloss, und der nach dem Muster des Koutoubia-Minaretts errichteten Giralda, dem Turm der Kathedrale). Dafür hätten wir übrigens auch nicht erst in Jerez landen müssen. Wir bedanken uns bei unseren netten Helferinnen und machen uns auf den Weg. Wir fliegen nach Osten am Sperrgebiet des großen Militärflughafens Morón vorbei und drehen dann nach Norden. Den Guadalquivir erreichen wir beim weiß leuchtenden Ort Almodóvar del Rio, der von einer imposanten Burg überragt wird. Wir geben auf der Tower-Frequenz unsere Absichten und Positionen durch, Queranflug 03, Endanflug 03, ohne eine Antwort zu bekommen. Wieso auch – normalerweise ist der Platz um diese Zeit ja schon lange geschlossen. Um 17:28 Uhr Ortszeit setzen wir auf der 03 auf und winken beim Abrollen den Feuerwehrleuten zu, die, wie wir später hören, für uns vor der unplanmäßigen erneuten Öffnung des Platzes noch vorschriftsmäßig Runway und Taxiways abgefahren haben, um eine Gefährdung durch unerwünschte Gegenstände auszuschließen. Für diesen Aufwand ist der Aufschlag auf die normale Lande-und Parkgebühr, der uns am übernächsten Tag berechnet wird, mit 36,09 € keineswegs zu hoch. Unser Taxifahrer empfiehlt uns das Hostal La Fuente, das in der Altstadt gut ausgestattete Appartements vermietet. Aus der Tienda, dem Laden nebenan, füllen wir unseren Kühlschrank mit Sprudel und Cruzcampo-Bier. Eine Dusche, und dann lassen wir uns durch die schmalen Gassen des Centro historico treiben. Auf der Römerbrücke gehen wir ein paar Schritte hinaus über den Guadalquivir, um aus einiger Entfernung einen ersten Eindruck von der angestrahlten Mezquita zu gewinnen. An der Plaza de Benavente genießen wir bei einer Flasche Wein Gambas, Schwertfisch und den schönen Abend.
Nach dem Frühstück im Patio des Hostal La Fuente und etwas Flugvorbereitung gehört dieser Tag der Besichtigung der Stadt, die vor 1000 Jahren neben Bagdad die größte der Welt war. Zunächst gehen wir noch einmal über die alte Brücke, Puente Romano, die auf Fundamenten aus der Zeit Caesars nach der Eroberung durch die Araber gebaut wurde. Wir schauen auf die Molinos árabes, die Überreste der arabischen Wassermühlen, und umrunden die Mezquita, die drittgrößte Moschee nach der von Mekka und der, die vor zwanzig Jahren Hassan II in Casablanca errichtete. Durch den Vorgarten, den Patio de los Naranjos mit seinen Brunnen, Orangenbäumen und Palmen, betreten wir das Heiligtum. Der Blick in diesen Wald von Säulen, die Hufeisen-Doppelbögen aus abwechselnd weißen und roten Steinen tragen, ist immer wieder faszinierend. Und der Mihrab mit seiner unvergleichlichen Kuppel ist ein ganz besonderer Schatz. Wir gehen weiter zum Alcázar, der von christlichen Königen nach der Reconquista, der Wiedereroberung, auf älteren Fundamenten errichteten Burganlage. Da wir dem Tercer edad angehören, der dritten Altersgruppe nach Kindern und im Berufsleben Stehenden, ist der Eintritt für uns frei. Wir steigen auf den höchsten Turm und erfreuen uns an der schönen Aussicht von den geschichtsträchtigen Mauern auf das Centro historico und den Guadalquivir mit der Römischen Brücke. Durch die prächtigen Gärten der Burg mit ihren Becken und Wasserspielen erreichen wir den Ausgang. Wir wenden uns nach Norden durch die Gassen der Juderia, des ehemaligen Judenviertels. Die Synagoge wird gerade renoviert. Ein Haus in der Nähe mit 2000 Jahre alten Fundamenten, um einen Patio gebaut, wie es schon bei den Römern üblich war, ist als privates Museum zu besichtigen und erzählt etwas von den wechselvollen Zeiten, die es gesehen hat. Etwas weiter finden wir die Bronzestatue des jüdischen Philosophen, Theologen, Naturwissenschaftlers und Arztes Mosche Ben Maimon (Maimonides), der zusammen mit seinem neun Jahre älteren arabisch-muslimischen Freund Ibn Rushd (Averroes) Vernunft und Logik in die Welt des Mittelalters brachte. Über ihre Schriften gelangten die Erkenntnisse der griechischen Denker ins christliche Abendland. Durch das Almodóvar-Tor durchqueren wir die alte Stadtmauer. Plötzlich sind klassische spanische Gitarren-Töne zu hören. Auf einer Steinbank über den Wasserbecken an der Stadtmauer spielt ein Straßenmusikant. Wir spenden ihm den verdienten Beifall und kaufen ein Exemplar seiner CD. An einem der Tische nebenan lassen wir uns nieder und lauschen dem unerwarteten, aber sehr gut in die andalusische Umgebung passenden Konzert. Erst als ich die CD später zu Hause anhöre, erkenne ich, wie meisterhaft der schlichte Mann sein Instrument beherrscht. Aus einer Bar, zu der die Tische gehören, bringt man uns ein paar leckere Tapas: Boquerones, kleine saure Fischchen, und Solomillo, Rinderfiletstückchen, dazu einen kühlen Sherry. Durch die alten blumengesäumten weißen Gassen bewegen wir uns wieder auf die Mezquita zu. Wie die geführten amerikanischen und japanischen Touristengruppen gehen wir ein paar Schritte in das malerischste der Gässchen, die Calleja de las Flores, das Blumengässchen. Wir blicken zurück und haben zwischen den weißen Häusern rechts und links den Glockenturm der Kathedrale, das umgestaltete Minarett der Moschee, vor Augen. Dieser Ausblick hat die Jahrhunderte überdauert. Aber Einiges hat sich seit meinem letzten Aufenthalt auch geändert: Schöne Filigranarbeiten aus Silber, für die Cordoba einst berühmt war, finde ich in den Gassen um die Mezquita nicht mehr. Und in einem Kiosk mit der Aufschrift „Churreria“, wo man früher leckere Churros erhielt, frisch aus dem heißen Öl, gibt es nur noch Cola und Eis. Nach dem ausgiebigen Besichtigungs-Spaziergang ziehen wir uns zu einer verdienten Siesta in unser kühles Appartement zurück. Dann ruft die Pflicht: Die Flugplanung für morgen muss noch fertiggestellt werden. Auf den für viele Andalusien-Touristen obligatorischen Flamenco-Abend verzichten wir. Das Abendessen nehmen wir ein paar Schritte von unserem Domizil entfernt auf der Terrasse des Hotels Seneca ein (der römische Dichter und Philosoph stammte ebenfalls aus Cordoba). Ein letztes Mal können wir uns an der spanischen Küche erfreuen. Allerdings merken wir nach einiger Zeit, dass unsere Bedienung mit unseren spanischen Bestellungen anscheinend wenig anfangen kann und nur englisch versteht. Dem Mineralwasser „con gas“ fehlt die Kohlensäure, der Rotwein ist gut aber nicht der bestellte, und statt Lammkoteletts erhalte ich das ausgezeichnete schinkenumwickelte Spezialgericht des Hauses: kein schlechter Tausch. Kaffee und ein guter spanischer Cognac runden die Mahlzeit ab. Gut, dass wir es zu unserem Nachtlager nicht allzu weit haben.
Am letzten Tag unserer Reise wartet ein schöner, aber etwas langer und anstrengender Rückflug auf uns. Eine halbe Stunde vor Öffnung des Flugplatzes treffen wir ein, beladen unsere Maschine und studieren die aktualisierten Wetterinformationen, die der Meteorologe für uns bereitgelegt hat. Bis Béziers gibt es offensichtlich keine Probleme. Eine 4/8-Bewölkung über dem Platz in 1300 Fuß verzögert den Start noch etwas. Schließlich wollen wir ja die Höhepunkte der Stadt noch ausführlich aus der Luft fotografieren. Dann haben wir ausgiebig Gelegenheit, über Cordoba, seinem Centro historico und der Mezquita zu kreisen. Der Weiterflug verläuft etwas großzügiger als der 2:44 Stunden dauernde Flug von Marrakesch nach Jerez: Vorgestern gliederte sich die vorgeschriebene Sichtflugstrecke in 13 Abschnitte mit den entsprechenden Pflichtmeldepunkten. Heute geht es in Flight Level 95 ohne weiteren Verkehr am Funk über die VORs MLA und CLS auf die majestätisch aufragenden Pyrenäen zu. Querab der katalanischen Hauptstadt schickt uns Barcelona Control 1500 Fuß tiefer auf FL 80. Wir steuern den kleinen Flugplatz von La Cerdanya (LECD) querab von Seo de Urgel und Andorra an und halten etwas Abstand von dem Platz, wo auch schon James-Bond-Stunts geflogen wurden, da Barcelona uns über Fallschirmspringerbetrieb dort informiert. Die drei angekündigten Segelflugzeuge sehen wir tief unter uns am Hang kreisen Die hohen Gipfel überragen uns zwar rechts und links, aber hinter der Grenze können wir etwas steigen, so dass wir genügend Luft unter uns haben. In Nordspanien und Südfrankreich leisten wir Fliegern mit unterbrochenem Funkkontakt als Relais-Station ein wenig Hilfe. Nach langem sonnigen, aber windigen Sinkflug setzen wir nach 4:06 Stunden in Béziers auf. Rasch haben wir unseren Vogel wieder vollgetankt, das Wetter eingeholt und den letzten Flugplan aufgegeben. Wir brauchen nach dem Start etwas Geduld, bis uns Montpellier auf unsere Reiseflughöhe steigen lässt. Über die VORs von Montélimar (MTL) und La Tour de Pin (LTP), dann über Ambérieu und Besancon steuern wir Basel an. Im Rhonetal haben wir den Wind, der uns auf dem Hinflug mit über 170 Knoten nach Süden gepustet hat, auf der Nase. Zeitweise sinkt dadurch die Fahrt bis unter 90 Knoten, und zwar nicht nur im Rhone-Tal, wie uns die Met-Infos angezeigt haben, sondern bis Basel. Ab Besancon fliegen wir unter einer hochliegenden Wolkendecke, und ab Basel suchen wir uns den Weg zwischen Wolkenschichten über dem Südschwarzwald. Basel ist am Funk wie auf dem Hinweg freundlich und kooperativ und reicht uns an Zürich Control weiter, nicht an Zürich Information (andere VFR-Flieger sind wahrscheinlich nicht in der Luft). Der Abstieg über dem Schwarzwald auf 5500 Fuß ist mit leichten Kurswechseln um Wolken herum in VMC unproblematisch. Wir wechseln auf die Schwenninger Frequenz („D-ESMF VFR from Marrakech via Cordoba and Béziers five minutes southwest for landing“) und haben die freundliche Stimme von Andrew am Funk. Wir steuern EDTS zunächst 1000 Fuß über Platzhöhe an, um uns die Wetterbedingungen anzusehen. Nach 3:51 Stunden, einer Stunde mehr als auf dem Hinflug, setzen wir auf der nassen 04 auf. Unser Rundhallenplatz ist von einer Maschine, an der gerade gearbeitet wird, belegt. Im Regen laden wir das Gepäck in Heiners SUV und parken die DA 40, die uns 26 Flugstunden lang keine Sekunde im Stich gelassen hat, auf der Wiese vor dem Tower. Rita erwartet uns mit einem Schluck Prosecco, und Heiner hat noch eine Stunde Heimfahrt durch den Regen nach Stuttgart vor sich, bis er seiner Regine von seinem in Erfüllung gegangenen Marrakesch-Traum berichten kann.
Flug nach Marokko 1.9. bis 12.9.2014 - 2966 NM - 25 Stunden und 58 Minuten in der Luft
Lande-, Park-und Handlinggebühren: |
|
Béziers |
13,50 € |
Castellon de la plana |
11,00 € |
Granada (2 Nächte, Handling-Agentur Swissport 36,30 €, Landegebühr 62,85 €) |
99,15 € |
Fes (2 Nächte) |
5,18 € |
Zagora (2 Nächte) |
6,22 € |
Marrakesch (2 Nächte) |
14,16 € |
Jerez (Handling-Agentur Swissport 27,20 €, Flughafengebühren 38,97 €) |
66,17 € |
Cordoba (2 Nächte, einschl. 36,09 € für Landung außerhalb der normalen Betriebszeit) |
88,71 € |
Béziers |
7,20 € |
Benzinpreise pro Liter AVGAS 100 LL : |
|
Béziers |
2,15 € |
Castellon de la plana |
2,95 € |
Granada |
2,73 € |
Fes |
2,69 € |
Marrakesch |
2,73 € |
Jerez |
2,83 € |
Cordoba |
3,08 € |
Hotels (Preis pro Nacht pro Person im DZ): |
||
Castellon de la Plana |
Hotel Costa Azahar |
25,00 € |
Granada |
Hotel America |
58,00 € |
Fes |
Sofitel Palais Jamai |
78,36 € |
Zagora |
Hotel SaharaSky |
56,13 € |
Marrakesch |
Riad Ifoulki |
50,00 € |
Córdoba |
Hostal / Apartementos La Fuente |
35,00 € |
Marokko - Bildunterschriften
01 Heiner Frahm (rechts) und Michael Klöters vor der Schwenninger DA 40
02 Alhambra, Granada
03 Kathedrale von Granada
04 DA 40 Diamond Star D-ESMF, Flughafen Federico García Lorca, Granada
05 Alhambra, Granada; Blick vom Mirador de San Nicola
06 Ronda
07 Gibraltar
08 Panoramablick auf Fes, Marokko
09 Blick auf die Altstadt von Fes
10 In der Altstadt von Fes
11 Gerber und Färber in Fes
12 Mittlerer Atlas
13 Südlich des Hohen Atlas
14 Tinerhir, Route des Kasbahs
15 Barrage El Mansour Eddahbi bei Ouarzazate
16 Kasbah Hotel Saharasky, südlich von Zagora
17 Gasse in Tamgroute
18 Tor zur Zawia Tamgroute
19 52 Tage bis Timbuktu ….
20 Felswüste bei M´Hamid. Wasser ist kostbar ….
21 Iriki Nationalpark in der marokkanischen Sahara
22 Erg in der marokkanischen Sahara
23 Blick vom Hotel Saharasky
24 An den Dünen von Tinfou beim Hotel Saharasky
25 (Fast) Vollmond über dem Dach des Kasbah-Hotels Saharasky
26 Hoher Atlas, Marokko
27 Innenhof im Riad Ifoulki, Marrakesch
28 Belebender Minztee im Riad Ifoulki
29 Place Djemaa el Fna, Marrakesch
30 Wasserstelle am Rand des Djemaa el Fna-Platzes
31 Mit 2 PS feinstaubfrei über den Platz
32 Auch Gehbehinderte sind hier mobil
33 Ob die Ausrüstung allein wirklich gute Fotos garantiert?
34 Akrobatengruppe
35 Berberäffchen mit Besitzer
36 Schlangenbeschwörer mit seinen Haustieren
37 Ein Maler bietet seine Meisterwerke an
38 Ambulanter Teppichhändler
39 Marokkanischer Dental-Spezialist
40 Gnaoua-Musiker und -Tänzer
41 Musizieren macht Durst – gut, dass es Wasserverkäufer gibt
42 Freundliche, aber bestimmte Ablehnung
43 Marokkanische Touristenfamilie
44 Mama, kaufst Du mir den?
45 Wichtig für den Verkaufserfolg: die gute Präsentation der angebotenen Waren
46 Im Souk von Marrakesch
47 Über den Dächern von Marrakesch: Das Minarett der Koutoubia-Moschee
48 Das alte Marokko: Eine Fantasia
49 Garküche auf dem Djemaa el Fna-Platz, Marrakesch
50 Brochettes
51 Burg von Almodóvar del Rio am Guadalquivir bei Córdoba
52 Die Wolken geben den Blick auf die Altstadt von Córdoba frei
53 Mezquita, Córdoba
54 In der Mezquita, Córdoba
55 Kuppel der Mihrab-Nische in der Mezquita, Córdoba
56 Eingang zum Restaurant in einem Patio im Centro histórico von Córdoba
57 Maimonides
58 Averroes
59 Gitarrenvirtuose in Córdoba
60 Der Flughafen von Cordoba
61 Mezquita, Córdoba
62 Über dem Süd-Schwarzwald – between layers
63 EDTS
Sportfliegergruppe Schwenningen a. N. e.V.
Ausbildungsleiter - Armin Schneider
Spittelbronner Weg 62
78056 Villingen-Schwenningen