1999 waren die unruhigen Zeiten der ersten Intifada in Israel und den Palästinensergebieten vorbei, die zweite Intifada begann erst im September 2000. Meine Frau und ich nutzten die relativ stabile politische Lage für eine Reise durchs Heilige Land. Mit einem Leihwagen waren wir unabhängig, und zur Übernachtung suchten wir uns aus einer Liste von Kibbuzzim, die Gäste aufnahmen, die für uns passenden heraus.
Wir hatten zunächst Jerusalem ausgiebig kennengelernt und Bethlehem besucht. Unser Weg führte uns nach Nazareth, Haifa, Akko und zum See Genesareth. Von den Golan-Höhen aus konnten wir einen Blick nach Syrien werfen. Die Fahrt durch die Palästinensergebiete, z.B. nach Jericho oder Qumran, war problemlos möglich. Wir besichtigten die Festung Massada, wo die Juden nach der Eroberung Jerusalems durch die Römer noch vier Jahre lang Widerstand leisteten, genossen das Kibbuz-Leben im blühenden En Gedi und ließen uns 400 Meter unter Meereshöhe auf dem Toten Meer treiben. Wir fuhren durch die Negev-Wüste und beobachteten Nubische Steinböcke und Somali-Wildesel, beide vom Aussterben bedroht. Im Timna-Park sahen wir die antiken Kupferminen und die beeindruckende Sandstein-Formation der „Säulen Salomos“. In Taba südlich von Eilat nutzte ich die Gelegenheit, bei einigen Tauchgängen die Unterwasserfauna des Golfs von Aqaba zu erkunden. Und die startenden und landenden Flugzeuge des zwischen Stadtmitte und Hafen sehr zentral gelegenen Flugplatzes von Eilat brachten uns auf die Idee, uns als krönenden Abschluss unserer Reise Jerusalem auch noch aus der Luft anzusehen.
Man erzählte sich übrigens vom Flughafen Eilat, der seit März 2019 durch den 20 km weiter nördlich gelegenen neuen Ramon Airport ersetzt wurde, der mit den örtlichen Gegebenheiten nicht optimal vertraute Kapitän eines anfliegenden Airliners habe nach „Field in sight“ und „Cleared to land“ auf nochmalige Erkundigung des Towers nach seiner Position auf seine Antwort „Soeben gelandet“ lakonisch hören müssen: „Nicht bei uns!“ Er befand sich am 10 km nordöstlich von Eilat gelegenen Airport von Eilats jordanischer Nachbarstadt Aqaba!
Als Ausgangspunkt für einen Jerusalemflug erschien uns der Flugplatz des nördlich von Tel Aviv gelegenen Vorstädtchens Herzliya mit der Icao-Kennung LLHZ und der 903 Meter langen Asphalt-Bahn 11 / 29 geeignet zu sein. Seit 1997 war da die Flugschule von fNAviation angesiedelt. Kurz entschlossen fuhren wir dorthin und fragten einen der beiden mit Maschinenpistolen bewaffneten Wachtposten am Eingang nach dem Büro. Dort erfuhren wir, ein kurzzeitiger Charterflug mit Safety Pilot sei kein Problem. Es war Donnerstag. Für Sonntag stand am Nachmittag der Rückflug nach Deutschland an. Die Wettervorhersage für die nächsten Tage war gut. Man erklärte uns, am Freitag, dem heiligen Tag der Moslems und am Samstag, dem Sabbat der Juden, sei über Jerusalem die Mindesthöhe 2000 Fuß über Grund. Aber am Sonntag könnten wir auch in 1000 Fuß fliegen. Also entschieden wir uns für den Sonntagmorgen. Neben einer Cessna 172 Skyhawk und einer Piper PA 32 Lance stand auch eine Cessna 172 Cutlass RG mit Einziehfahrwerk, Verstellpropeller und 180 PS für 570 NIS = 268 DM pro Stunde zur Verfügung, die richtige Maschine für unser Vorhaben.
Nach den üblichen Checks starteten wir am Sonntagmorgen in den wolkenlos blauen Himmel. Den Sprechfunk übernahm auf hebräisch unser Safety Pilot. Hinter der rechten Tragfläche lag Tel Aviv, unter uns ein Dorf zwischen terrassierten Hügeln. In der Ferne tauchten die Mauern des 800 Meter hoch gelegenen Jerusalem auf. Mir kam ein alter Song von Salvatore Adamo in den Sinn, Inch‘Allah, in dem er Jerusalem „Coquelicot sur un rocher“ nannte, „Klatschmohn auf einem Felsen“. Hinter der Stadt senkte sich das Land zum Jordantal und südlich davon tief hinab zum Toten Meer, an dessen Rand die Salzkrusten glitzerten und funkelten wie die Brillanten in einer der Schleifereien von Tel Aviv oder Jerusalem. Die rötliche Bergkette am Horizont gehörte schon zum jordanischen Königreich, die Grenze verlief durchs Tote Meer. Wir flogen auf die Altstadt zu. Knapp 2 Kilometer vor der Altstadt lagen die Knesset, das israelische Parlament, und das Kreuzkloster unter uns. Und dann hatten wir diesen nur etwa einen Kilometer im Geviert messenden Ort vor uns, religiöses Zentrum von Juden und Christen und auch den Moslems heilig. Vor ein paar Tagen hatten wir schon vom Davids-Turm der am Jaffa-Tor gelegenen Zitadelle aus, die vor 2000 Jahren Herodes errichten ließ und wo uns eine Ausstellung des Glaskünstlers Dale Chihuly faszinierte, einen Überblick über die Altstadt bekommen. Jetzt konnten wir aus 1000 Fuß Höhe die markanten Punkte noch viel besser identifizieren. Wir hatten eine Umrundung der Stadt geplant. Aber wir konnten uns an diesem einmaligen Anblick nicht sattsehen, so dass aus der einen Runde wohl ein halbes Dutzend wurde. Wegen unseres Heimflugs am Nachmittag mussten wir daher heute auf den Weiterflug zum Toten Meer und nach Massada verzichten. Wir drehten unsere weiten Kreise entlang der 12 Meter hohen Mauer im Gegenuhrzeigersinn, so dass ich vom Pilotensitz aus fotografieren konnte, während unser Safety Pilot das Steuer übernahm. Unfassbar, wie eng hier alles zusammenlag, auf einer kurzen Runde bestens überschaubar: Das christliche Viertel mit der Grabeskirche, südlich davon das armenische Viertel, davon östlich das jüdische Viertel, das östlich begrenzt wurde vom Tempelberg mit der El-Aqsa-Moschee und dem Felsendom. Vom Tempelberg nach Norden sahen wir das moslemische Viertel, von dem aus wir nach Westen wieder zum christliche Viertel kamen. Die Südwestmauer des Tempelbergs, auf dem der salomonische Tempel stand, bis die Römer ihn vor knapp 2000 Jahren zerstörten, ist die Klagemauer der Juden. Strenggläubige orthodoxe Juden betreten die Hochfläche des Tempelbergs übrigens nicht. Man könnte aus Versehen an der Stelle des Allerheiligsten – der Bundeslade mit Moses‘ Gesetzestafeln – stehen, das nur den Hohepriestern zugänglich war. Der Felsendom steht dort, wo Abraham einen Altar gebaut haben soll, um seinen Sohn Isaak zu opfern. Und von hier, dem Felsen Morija, stieg nach der 17. Sure des Korans Mohammed in die sieben Himmel auf – einen Hufabdruck seines Pferdes hatte man uns gezeigt. Die Via Dolorosa ist vom Tempelberg einen Steinwurf weit entfernt. Und die Luftlinie vom Felsendom zur Grabeskirche beträgt 400 Meter. Allen drei monotheistischen Weltreligionen ist Jerusalem also heilig. Man benötigt keine große Phantasie, um sich vorzustellen, was geschieht, wenn junge Palästinenser, aufgeheizt von einer Predigt beim Freitagsgebet in der El-Aqsa-Moschee, Steine auf die unter ihnen an der Klagemauer betenden Juden werfen und dann die israelische Armee den Tempelberg stürmt und räumt. Man sah von oben unmittelbar, warum der Frieden hier noch labiler ist als in Belfast oder Londonderry.
Wir flogen zurück nach Herzliya. Nach einer problemlosen Landung, der Begleichung der Rechnung und einem kurzen, dankbaren Abschied von unserem Safety Pilot standen wir auch noch beim Heimflug mit der Linienmaschine am Nachmittag unter dem überwältigenden Eindruck, den Jerusalem hinterlassen hatte. Den vorgesehenen Flug zum Toten Meer und nach Massada vermissten wir jetzt nicht. Vielleicht haben wir dazu ein andermal die Möglichkeit?
Die fNAviation School gibt es auch 2021 noch. Inzwischen findet man sie nicht nur in Herzliya, dessen Flugplatz vor ein paar Jahren beinahe einem Industriegebiet zum Opfer gefallen wäre, sondern mit Cessnas, Tecnam P-2010, DA 40, DA 42 und DA 62 auch in Haifa, Sde Dov und Eilat.
Text und Fotos: Michael Klöters
Jerusalem - Bildunterschriften
01 Zwischen Tel Aviv und Jerusalem
02 Kreuzkloster
03 Die Knesset, das israelische Parlament
04 King-David-Hotel, bis 1948 Sitz der britischen Mandatsregierung
05 Karte von Jerusalem von 1818
06 Karte der Altstadt von Jerusalem
07 Altstadt von Jerusalem. Im Vordergrund das christliche Viertel, im Hintergrund der Tempelberg
08 Altstadt von Jerusalem. In der Mitte christliches Viertel mit der Grabeskirche, unten die Zitadelle
09 Zitadelle, erbaut von Herodes I., Davidsturm
10 Grabeskirche
11 Grabeskirche
12 Tempelberg und Klagemauer
13 Klagemauer
14 Felsendom
15 Tempelberg
16 El-Aqsa-Moschee
17 Felsendom
18 Felsendom
19 Tempelberg
20 Felsendom
21 Felsendom
22 Felsendom
23 Klagemauer
24 Felsendom
25 Kuppel des Felsendoms
26 Felsendom, Eingang
27 Kettendom, „Gerichtsplatz Davids
28 Grabeskirche
29 Via Dolorosa
30 Kuppel der Grabeskirche
31 Christian Quarter Road
32 Minarett der El-Khanga-Moschee nördlich der Grabeskirche
33 Russische Maria-Magdalena-Kirche
34 Jüdischer Friedhof am Ölberg
35 Franziskanerkapelle Dominus flevit am Ölberg
36 800 Jahre alter Olivenbaum im Garten Gethsemane
37 Zitadelle
38 Glaskunst von Dale Chihuly in der Zitadelle
39 Glaskunst von Dale Chihuly in der Zitadelle
40 Glaskunst von Dale Chihuly in der Zitadelle
41 Glaskunst von Dale Chihuly in der Zitadelle
42 Glaskunst von Dale Chihuly in der Zitadelle
43 Frühmorgens im Bazar
44 Wenn sie erwachsen ist, werden die Menschen dann hier besser miteinander auskommen?
45 Am Damaskustor
46 Damaskustor
47 Damaskustor
48 Minarett der Omar-Moschee in Bethlehem
49 Vor der Omar-Moschee in Bethlehem
50 Tel-Alsultan, Jericho
51 Neolithischer Turm, Jericho
52 Qumran, Fundort der 2000 Jahre alten Pergament-Rollen
53 Das griechische St. Georgs-Kloster im Wadi Qelt
54 Alter Hafen, Caesarea
55 Auf dem Weg zum Markt in Bersheeba
56 Am Toten Meer
57 Am Toten Meer
58 Blick von En Gedi über das Tote Meer nach Jordanien
59 Im Kindergarten des Kibbuz En Gedi
60 Naturpark En Gedi, Nahal david
61 En Gedi, Dodim-Höhle (1. Buch Samuel 24, 2-23)
62 Timna-Park, Salomos Säulen
63 Somali-Wildesel
64 Nubischer Steinbock
65 Junger Nubischer Steinbock
66 Nubischer Steinbock
67 Eilat, Blick vom Hafen auf den Flughafen
68 Barracuda im Golf von Aqaba
69 Delphin im Golf von Aqaba
70 Delphin im Golf von Aqaba
71 Im Negev
Sportfliegergruppe Schwenningen a. N. e.V.
Ausbildungsleiter - Armin Schneider
Spittelbronner Weg 62
78056 Villingen-Schwenningen